Der Standard

Dritter Botschafte­r in einem Jahr geht aus Protest gegen Trump

James Melville, US-Botschafte­r in Estland, gibt nach Äußerungen des Präsidente­n über die Nato und die EU seinen Posten auf

- Frank Herrmann aus Washington

Nachdem er unter sechs Präsidente­n und elf Außenminis­tern als Diplomat gedient habe, schreibt James D. Melville, habe er sich einfach nicht vorstellen können, jemals an diesen Punkt zu kommen. Nun aber sei er dort angelangt, also bleibe ihm nichts anderes übrig, als seinen Posten zu verlassen. Denn zuletzt habe er einem Präsidente­n gedient, der behaupte, die Europäisch­e Union sei geschaffen worden, um Amerika auszunutze­n und „unser Sparschwei­n zu attackiere­n“.

Einem Präsidente­n, der sage, die Nato sei so schlimm wie Nafta, das nordamerik­anische Freihandel­sabkommen. Er liebe die einzelnen EU-Länder, doch die Union sei nur gegründet worden, um sich gegenüber den Vereinigte­n Staaten Vorteile zu verschaffe­n, hatte Donald Trump vor we- nigen Tagen auf einer Kundgebung in North Dakota erklärt. Für Melville war es der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. „Das ist nicht nur von den Fakten her falsch. Es zeigt mir auch, dass es Zeit ist zu gehen.“Bis Freitag war der Mann aus New Jersey amerikanis­cher Botschafte­r in Estland, ein alter Hase, der auf 33 Jahre im diplomatis­chen Dienst zurückblic­kt.

„Unamerikan­isches“Handeln

Bevor ihn Barack Obama nach Tallinn entsandte, war er in Berlin, London und Moskau auf Posten gewesen, davor in Paris, bei der Nato in Brüssel, in St. Petersburg und auf den Seychellen. Er sei ein Berufslebe­n lang stolz gewesen auf die Rolle, die sein Land nach dem Zweiten Weltkrieg gespielt habe, schreibt er auf Facebook. Seit dem 1947 beschlosse­nen Marshall-Plan habe es zu den Konstanten der US-Außenpolit­ik gehört, die europäisch­e Integratio­n zu unterstütz­en. EU und Nato seien Früchte dieser Politik.

Melville ist in diesem Jahr bereits der dritte Botschafte­r der USA, der nicht nur seinen Hut nimmt, sondern auch öffentlich auf Distanz zu Trump geht. Den Anfang machte im März John Feeley, bis dahin Missionsch­ef in Panama. Das „America first“, analysiert­e er damals in einer Kolumne für die Washington Post, habe bei vielen zu Recht frustriert­en Amerikaner­n einen Nerv getroffen.

Diese Leute hätten Besseres verdient, nämlich eine aufgeklärt­e Debatte über die wahre Natur der globalen Wirtschaft, über Automatisi­erung und die Notwendigk­eit von Bildung. Auf Feeley folgte Roberta Jacobson, Leiterin der US-Vertretung in Mexiko, und auch sie findet im Nachhinein deutliche Worte. Statt an der Grenze zu Mexiko Kinder von ihren Eltern zu trennen, sollte man sich lieber der Ursachen illegaler Einwanderu­ng annehmen, mahnt sie. Drakonisch­es, „unamerikan­isches“Handeln werde am Wesen der Sache nichts ändern. Im Falle Melvilles ist es nicht zuletzt das Timing des angekündig­ten Abgangs, das für Aufsehen sorgt. In gut einer Woche reist Trump nach Brüssel, um an einem Nato-Gipfel teilzunehm­en, ehe er sich in Helsinki mit seinem russischen Amtskolleg­en Wladimir Putin trifft.

Die Konferenz des Pakts dürfte einmal mehr im Zeichen heftiger Kontrovers­en stehen – über die Höhe der Verteidigu­ngsausgabe­n, über den Ausstieg Washington­s aus dem Atomabkomm­en mit Iran. Dass der Botschafte­r in Estland nicht länger verteidige­n will, was sein Staatschef zu den Streitthem­en zu sagen hat, hat er in schnörkell­oser Prosa deutlich gemacht. Es liege in der DNA eines Diplomaten, eine bestimmte Politik zu unterstütz­en. Sei man dazu nicht mehr in der Lage, sei ein Rücktritt das Ehrenwerte­ste.

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Foto: AP / Vitnija Saldava Nimmt aus Protest seinen Hut: US-Botschafte­r James Melville.

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