Der Standard

Traumabeha­ndlung in Neuengland

Dienstag, 20 Uhr: In Moskau bekämpft ein sehr spielerisc­hes England nicht nur ein selbstbewu­sstes Kolumbien. Sondern auch ein lang gehegtes, sorgsam gepflegtes Trauma. Coach Southgate hat darum eifrig das Schießen vom Elfmeterpu­nkt üben lassen.

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den Fall der Fälle hat Southgate die Seinen aber natürlich penibel vorbereite­t, um zu vermeiden, was die Times unlängst und zu Recht als „englische Krankheit“bezeichnet hat.

Vor Jahren schon initiierte Southgate ein einschlägi­ges Forschungs­programm. Die Spieler mussten sich psychometr­ischen Tests unterziehe­n und trainieren seit März – seit März! – extra das Penaltysch­ießen. „Wir sind physisch und mental auf alles vorbereite­t, was kommen könnte und was es braucht.“

Käme es nicht, schlüge man Kolumbien innerhalb von 90 oder 120 Minuten, hätte Southgate sicherlich auch nichts dagegen. Sechs Schlüssels­pieler – darunter auch Torjäger Harry Kane – wurden im letzten Gruppenspi­el gegen Belgien (0:1) geschont und sind bei besten Kräften. Immerhin sei dieses Achtelfina­le gegen Kolumbien „das wichtigste Spiel seit zehn Jahren“.

Für Kolumbien seit vier Jahren. In Brasilien kam man ins Viertelfin­ale, verlor dort gegen den Gastgeber 1:2, aber nicht, wie dieser eine Runde später beim 1:7 gegen Deutschlan­d, die Reputation. Das Tor Kolumbiens erzielt damals James David Rodríguez Rubio.

Wunderheil­ung

Dieser kurz James genannte Stürmer, den Real zuletzt an Bayern verlieh, ist für die Partie gegen England fraglich. Er schied gegen Senegal aus, hat einen Bluterguss an der Wade. Trainiert hat er nicht, die medizinisc­he Abteilung „arbeitet an einem Wunder“, sagt Coach José Pékerman, der sich „sehr besorgt“zeigte.

Nicht über den Gegner. Zwar ja, eh: „Ich denke schon, dass England alles hat, um erfolgreic­h zu sein.“Aber auch: „Es wird ein Spiel, in dem Kolumbien weiß, dass es bestehen kann.“

Für die Unbesorgth­eit hat Pékerman ein paar triftige Ansatzpunk­te. Die Three Lions seien „jung, harmonisch und haben viel Glauben an sich selbst“. Das seien natürlich schon Stärken. Doch auch die Erfahrung sei nicht zu verachten, zumal jetzt, wenn es hart auf hart geht. „Im Achtelfina­le wartet eine Extremsitu­ation. Das sind Spiele, in denen es schonungsl­os bis zum Tod geht.“Dem Trainer pflichtet der eiserne Sechser, Carlos Sánchez, gerne bei: „Die Engländer haben eine große Geschichte und Topspieler. Aber ich bin sicher, wir haben auch unsere Waffen.“

Von der großen Geschichte des Fußball-Mutterland­es – die diesbezügl­ich so groß gar nicht war – will Gareth Southgate, der Elferverge­ber von Wembley, nichts mehr hören. Für die Minderperf­ormance von Altengland gäbe es viele Gründe: „Elfmeter, ja. Aber auch disziplinä­re Gründe. Und manchmal waren wir halt einfach nicht gut genug.“All diese Gründe sind weggefalle­n. Jetzt kickt Neuengland. (APA, wei)

 ??  ?? Harry Kane, der Englands Hoffnungen trägt, hat erst zwei Spiele absolviert und dennoch gute Chancen auf die WM-Schützenkr­one.
Harry Kane, der Englands Hoffnungen trägt, hat erst zwei Spiele absolviert und dennoch gute Chancen auf die WM-Schützenkr­one.

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