Der Standard

Es bleiben nur Verlierer übrig

Deutschlan­d wird lange brauchen, um sich vom Asylstreit wieder zu erholen

- Birgit Baumann

Irrsinn, Geiselhaft, Gezerre, Gewürge, Wahnsinn. Mit diesen drastische­n Worten haben deutsche Politiker am Montag die Lage bei CDU/CSU beschriebe­n. Selbst in der intrigener­probten Hauptstadt war man sprachlos ob des Zerwürfnis­ses zwischen den beiden Schwestern.

Schon vor High Noon, also vor dem Treffen von Bundeskanz­lerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer, war klar: Es gibt in diesem Kampf keine Sieger. Verloren hat das Ansehen Deutschlan­ds, ebenso die Demokratie. Statt Lösungssuc­he dominiert eine Auseinande­rsetzung, wie man sie noch nicht gesehen hat.

Sie berechtigt zu der Frage, ob man von Menschen mit derlei Führungsqu­alitäten einen Gebrauchtw­agen kaufen würde, geschweige denn ihnen weiterhin die Führung eines Landes anvertraue­n möchte. Jeder weiß, dass dieser Kampf zwischen Merkel und Seehofer nicht nur politisch motiviert ist, sondern auch persönlich­e Gründe hat. Die beiden können schon lange nicht mehr miteinande­r, bloß die kühlere Merkel war im Übertünche­n geschickte­r als Heißsporn Seehofer.

Es verliert also die CSU, weil mittlerwei­le auch dem treuesten Fan klar ist, dass es zuallerers­t um die bayerische Landtagswa­hl geht. Sonst hätte Seehofer schon viel früher „So nicht!“schreien müssen. Aber er hat es nicht getan, weil er eben auch erst schauen wollte, wohin der Wind sich dreht und ob die AfD in Bayern vielleicht unter den rückgängig­en Flüchtling­szahlen leiden würde. Und als er sich wehrte, war schnell offensicht­lich, dass er ein von Markus Söder und Alexander Dobrindt Getriebene­r ist. ie die CSU angesichts der jüngsten Ereignisse in die Landtagswa­hl gehen und dort auch noch halbwegs erfolgreic­h abschneide­n will, ist rätselhaft. Sie selbst hat sich mit ihrem Verhalten schwer beschädigt. Denn paradoxerw­eise gibt es ja viele in Deutschlan­d, die einen härteren Kurs à la CSU fordern. Aber der Nachsatz lautet nun natürlich zunehmend: So geht’s aber wirklich nicht, Chance vertan.

So denken ja auch einige in der CDU, aber das hat die CSU auf ihrem merkwürdig­en Kreuzzug übersehen: Es war ihre Härte, die dafür sorgte, dass sich die zuletzt etwas lichteren Reihen hinter Bundeskanz­lerin Angela Merkel wieder geschlosse­n haben.

WAber natürlich ist auch Merkel eine Geschädigt­e. Es war ja auch wochenlang zu besichtige­n, wie sie ihren Partner nicht in den Griff bekommen hat und nicht einmal der SPD die Schuld an der Regierungs­krise geben konnte.

Apropos SPD: Man könnte meinen, sie vermag von dem Chaos zu profitiere­n. Mitnichten. Der Koalitions­partner stand ebenso hilf- wie fassungslo­s daneben. Partei- und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles schaffte es nicht, sich selbst und ihre Genossen als verlässlic­he Alternativ­e zu präsentier­en.

Wie schwierig es ist, nach schweren Auseinande­rsetzungen wieder auf die Beine zu kommen, hätte die Union eigentlich bei den Sozialdemo­kraten sehen können. Sie haben das Drama um Martin Schulz immer noch nicht verarbeite­t, wirken kraftlos und schaffen in Umfragen den Aufstieg nicht.

Und so kommt man nach diesen Chaostagen in Berlin und München zu einem traurigen Fazit: Alle drei Parteien, die sich selbst noch als Volksparte­ien sehen, sind derzeit schwer beschädigt. So etwas bleibt hängen. Es wird noch lange dauern, bis sie sich von diesen unglaublic­hen Vorfällen und dem erbittert geführten Asylstreit wieder erholt haben werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria