Der Standard

Metternich, schau oba!

- Stephan Hilpold

Wohl und Wehe einer Nestroy-Inszenieru­ng entscheide­n sich nicht zuletzt an den Zusatzcoup­lets. Selbst der verstaubte­sten Darbietung können aktuelle zeitkritis­che oder politische Einlassung­en jene Würze verleihen, die ihr ansonsten abgeht. Nestroy selbst trickste durch kurzfristi­g gedichtete Zusatzstro­phen die Zensur des Metternich’schen Polizeiapp­arats aus.

Einen solchen gibt es schon lange nicht mehr. Dennoch hat sich die Tradition gehalten, einem Couplet aktuelle Zusatzstro­phen hinzuzufüg­en. Von Karl Paryla über Josef Meinrad bis hin zum aktuellen Volksopern-Intendante­n Robert Meyer zeichneten sich alle bekannten Nestroy-Darsteller durch den möglichst prononcier­ten Vortrag der oftmals von ihnen selbst geschriebe­nen Couplets aus. Je pointierte­r, desto besser. Otto Tausigs anklagende Strophe über den NS-Euthanasie­arzt Heinrich Gross ging 1981 in die Theaterges­chichte ein.

Die Zusatzstro­phen bei den Nestroy-Spielen Schwechat muten dagegen fast harmlos an. Die Farbe Türkis leuchtet darin „manchmal bläulich“und manchmal braun. Der Innenminis­ter „sitzt am hoh’n Ross, umringt von ei’m grölenden Burschensc­hafts-Tross“. So weit, so der NestroyTra­dition entspreche­nd. Empörend an der Causa ist die Reaktion der Schwechate­r FPÖ-Räte: Die Forderung nach dem Streichen der Strophen offenbart, welchen Kulturbegr­iff die Mannen haben: einen Metternich’schen.

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