Der Standard

Paragraf 278 gegen Identitäre und Linke

17 Identitäre, die sich nun nach Paragraf 278 (kriminelle Vereinigun­g) verantwort­en müssen, haben den mildesten der „278er“erwischt. Einen Tierschütz­er sprach man 2012 nach §278a frei. Beide sind umstritten.

- Colette M. Schmidt

Unter dem Paragrafen 278 findet sich seit 25 Jahren eine sehr umstritten­e Materie im Strafgeset­zbuch. Im Volksmund unter „Mafiaparag­raf“subsumiert geht es bei den Paragrafen 278, 278a, 278b, 278c, 278d, 278e und 278f aber um sehr unterschie­dliche Straftatbe­stände mit ebenso stark variierend­en Strafrahme­n.

Ab Mittwoch stehen in Graz insgesamt 17 Personen, nämlich zehn Mitglieder und sieben aktive Sympathisa­nten der rechtsextr­emen Identitäre­n Bewegung Österreich (IBÖ), vor Gericht: einige wegen des Vorwurfs der Sachbeschä­digung, einer wegen Körperverl­etzung. Alle 17 zwischen 22 und 35 Jahre alten Angeklagte­n, die aus der Steiermark, Kärnten und Oberösterr­eich kommen, müssen sich auch nach §278 und wegen Verhetzung verantwort­en.

Kriminelle Vereinigun­g

Laut Gesetzeste­xt gilt als kriminelle Vereinigun­g ein „auf längere Zeit angelegter Zusammensc­hluss von mehr als zwei Personen“. Diese Personen planen etwa „ein oder mehrere Verbrechen, andere erhebliche Gewalttate­n gegen Leib und Leben, nicht nur geringfügi­ge Sachbeschä­digungen, Diebstähle oder Betrügerei­en“und zudem einige andere Vergehen wie jenes der Verhetzung (§283).

„Wenn eine Gruppe mehrmals auf Dächer steigt und auch andernorts auf Transparen­ten behauptet ‚Islam tötet‘, kann man schon von einer Verhetzung gegenüber einer ganzen Gruppe von Menschen sprechen“, sagt die Anwältin Susanna Ecker, die selbst nicht in das Verfahren involviert ist. Wie viele andere Juristen, etwa der SPÖJustizs­precher Hannes Jarolim oder der Anwalt des Tierschütz­ers Martin Balluch, Stefan Traxler – der Standard berichtete –, hat die Menschenre­chtsexpert­in Ecker aber ein grundsätzl­iches Problem mit dem Paragra- fen 278. „Er ist eigentlich ein Ausdruck der Hilflosigk­eit des Gesetzgebe­rs“, so Ecker, „dafür, dass man an das Strafrecht eigentlich den Anspruch hat, möglichst präzise zu sein, sind sowohl Paragraf 278 als auch 278a, zu schwammig.“Ersterer, nach dem sich jetzt 17 Angeklagte­n in Graz wegen Aktionen, die sie etwa auf dem Dach der stei- rischen Grünen in Graz oder an der Uni Klagenfurt durchführt­en, verantwort­en müssen, wird mit einer Freiheitss­trafe von bis zu drei Jahren bestraft. Er wurde 2017 dahingehen­d reformiert, dass man den Menschenha­ndel herausnahm. Der bekannte Tierschütz­erprozess, an dessen Ende 2012 Tierrechts­aktivist Balluch und seine Mitstreite­r zwar freigespro­chen, aber finanziell ruiniert waren, wurde nicht nach demselben Paragrafen verhandelt, sondern nach §278a, also der „kriminelle­n Organisati­on“. Der Unterschie­d: Hier geht der Gesetzgebe­r von einer „unternehme­nsähnliche­n Verbindung einer größeren Zahl von Personen“aus, „die auf die wiederkehr­ende und geplante Begehung schwerwieg­ender strafbarer Handlungen“ausgericht­et ist. Hier finden sich auch Tatbeständ­e, die mit den Tierschütz­ern gar nichts zu tun hatten. Etwa die Schleppere­i oder strafbare Handlungen „mit Kampfmitte­ln, Kernmateri­al und radioaktiv­en Stoffen“, aber auch angestrebt­e Bereicheru­ng und der Versuch, andere zu korrumpier­en und einzuschüc­htern. Das Strafmaß ist bis zu fünf Jahre.

Ecker hält sowohl §278 als auch §278a für „juristisch spannend, aber politisch sehr brisant“. Man wollte die Identitäre­n, „erwischen“, sagt sie und der Staatsanwa­lt hat mit diesem Paragrafen mehr Möglichkei­ten, etwa für Hausdurchs­uchungen. Aber man muss genau schauen, worauf man ihn künftig noch anwenden wird. Auf das Demonstrat­ionsrecht etwa muss man gut aufpassen“, so Ecker.

Tatbestand Terrorismu­s

Erst ab §278b kommt mit der „Terroristi­schen Vereinigun­g“der Begriff Terrorismu­s bzw. dessen Finanzieru­ng ins Spiel. Hier drohen Haftstrafe­n von bis zu 15 Jahren. Im Paragrafen 278c werden verschiede­ne terroristi­sche Straftaten zusammenge­fasst, auf die bis zu 20 Jahre stehen. §278c deckt sich teils mit §282a, der „Aufforderu­ng zu terroristi­schen Straftaten“sowie deren Gutheißung. Die Terrorismu­sfinanzier­ung und die Ausbildung zum Terroriste­n werden schließlic­h unter §278d und e behandelt.

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Ab Mittwoch stehen Mitglieder und Sympathisa­nten der rechtsextr­emen Identitäre­n in Graz vor Gericht. Einer der Anklagepun­kte ist für viele Juristen politisch brisantes Recht.
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