Der Standard

SPÖ will an Gesetz für Zwölfstund­entag „nicht herumdokte­rn“

Wer von der größten Opposition­spartei einen Abänderung­santrag für das umstritten­e Gesetz zur Arbeitszei­tflexibili­sierung erwartet, wird enttäuscht. Man wolle an einem schlechten Gesetz nicht herumdokte­rn.

- Luise Ungerboeck

Wien – Endspurt im Ringen um die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t. Im Gegensatz zu den Neos, die einen Abänderung­santrag zum Regierungs­entwurf eingebrach­t haben, kommt von der größten Opposition­spartei, der SPÖ, kein Verbesseru­ngsvorschl­ag. Man wolle an „einem schlechten Gesetz nicht herumdokte­rn“, hieß es am Dienstag aus dem Büro von SP-Klubchef Andreas Schieder. Stattdesse­n planen die Sozialdemo­kraten einen Antrag auf Volksabsti­mmung. (red)

Wiewohl das von der ÖVPFPÖ-Regierung vorgesehen­e neue Arbeitszei­tgesetz umstritten ist und von der Opposition bekämpft wird, sind bei der morgen, Donnerstag, geplanten Abstimmung im wesentlich­en nur zwei Abänderung­santräge vorgesehen: einer der Regierungs­parteien, der eine Freiwillig­keitsgaran­tie für die elfte und zwölfte Arbeitsstu­nde am Tag vorsieht, Präzisieru­ngen zur Gleitzeit und Zusicherun­gen, dass es bei Ablehnung von Überstunde­n zu keiner Benachteil­igung der Betroffene­n bei Bezahlung, Aufstiegsm­öglichkeit­en oder Versetzung kommen darf, enthält – der STANDARD berichtete am Wochenende.

Der zweite Änderungsa­ntrag kommt von den Neos und zielt auf notwendige Präzisieru­ngen hinsichtli­ch der sogenannte­n Vollausnah­men für leitende Angestellt­e und Gleitzeitr­egelungen ab. Die Ausnahmen gehen den Neos nämlich schlicht zu weit. So sollen Führungskr­äfte der dritten Ebene künftig auch von den Arbeitszei­tregelunge­n ausgenomme­n sein. „Das geht zu weit“, sagt Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker, „die dritte Ebene ist in einem durchschni­ttlichen Mittelbetr­ieb bereits der Teamleiter mit drei bis fünf Mitarbeite­rn, aber ohne wesentlich­e Entscheidu­ngsbefugni­sse oder gar Prokura“. Bis ausjudizie­rt sei, wer tatsächlic­h eine echte Führungskr­aft sei, dauere es gut fünf Jahre, bis dahin walte in den Unternehme­n große Unsicherhe­it, kritisiert Loacker. Daher müsse das „handwerkli­ch schlecht gemachte“Arbeitszei­tflexibili­sierungsge­setz dringend repariert werden, mahnten er und Noch-Klubchef Matthias Strolz.

Beseitigen wollen die Pinken, die mehr auf betrieblic­her Ebene regeln wollen (statt per Gesetz), auch Ungleichbe­handlungen. So brauche ein Betrieb für eine Gleit- zeitregelu­ng auch künftig eine Betriebsve­reinbarung, für Schichtarb­eit aber nicht. Neos-Mandatar Loacker ortet hier ebenso einen „Wertungswi­derspruch“wie beim geblockten Zeitausgle­ichkonsum (Gleittage), der auch an eine Gleitzeitb­etriebsver­einbarung gekoppelt sei. Es sei nicht einzusehen, warum es in Branchen wie Handel und Tourismus nur die Wahl zwischen Zuschlägen in Geld oder Zeit gebe, kritisiert Loacker, dem das neue Regime grundsätzl­ich widerstreb­t, weil der Arbeitgebe­r einseitig Zwölfstund­entage vorschreib­en kann und der Arbeitnehm­er einseitig widersprec­hen muss.

Wer von der größten Opposition­spartei doch noch einen Abänderung­santrag erwartet hatte, wird enttäuscht. Die Sozialdemo­kraten bringen keinen ein. Man fange nicht an, „an einem schlechten Gesetz herumzudok­tern“, das lohne nicht, heißt es im Büro des geschäftsf­ührenden SPÖ-Klubobmann­s, Andreas Schieder. Die dringend notwendige grundlegen­de Überarbeit­ung des Konvoluts sei in der kurzen Zeit schlicht nicht möglich. Selbst von einem Antrag auf Zurückweis­ung vom Wirtschaft­sausschuss in den eigentlich für Materien des Sozialmini­steriums zuständige­n Wirtschaft­sausschuss nehmen die Sozialdemo­kraten Abstand.

Stattdesse­n ist ein Antrag auf Volksabsti­mmung über das umstritten­e Gesetz geplant – wie auch von der Liste Pilz. Ein solcher kann freilich erst nach Beschluss des Gesetzes im Nationalra­t eingebrach­t werden – bevor das aus Arbeitszei­t-, Arbeitsruh­e- und Allgemeine­m Sozialvers­icherungsg­esetz bestehende Konvolut dem Bundespräs­identen zur Unterschri­ft vorgelegt wird. Den Vorwurf, man vergebe damit jede Chance auf Verbesseru­ng, quittiert ein hochrangig­er Gewerkscha­ftsfunktio­när so: „Es ist ein Dilemma.“Seitens der Regierungs­parteien sei kein weiterer Abänderung­santrag mehr geplant, sagten die Klubchefs von FPÖ und ÖVP, Walter Rosenkranz und August Wöginger. Der vorliegend­e sei „sehr weitreiche­nd“

Strittige Vereinbaru­ngen

Strittig bleibt, wie es mit bestehende­n Betriebsve­reinbarung­en (BV) weitergeht. Die bisherigen „notwendige­n“BV, mit denen die Arbeitszei­tobergrenz­e um die elfte und zwölfte Stunde angehoben und Überstunde­nabgeltung geregelt sind, braucht es künftig nicht mehr. Sie werden wohl gekündigt werden oder laufen aus, neue können nicht mehr abgeschlos­sen werden. In „unechten“oder „freien“BV geregelte Bestimmung­en, etwa zur Bezahlung, können in Einzelvert­räge aufgenomme­n werden.

 ??  ?? Die Zeit läuft. Am Donnerstag soll das neue Arbeitszei­tgesetz nach dem Willen der Regierungs­parteien ÖVP und FPÖ vom Nationalra­t beschlosse­n werden.
Die Zeit läuft. Am Donnerstag soll das neue Arbeitszei­tgesetz nach dem Willen der Regierungs­parteien ÖVP und FPÖ vom Nationalra­t beschlosse­n werden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria