Der Standard

EU gegen Trump

Der Streit um Migration dominiert die Schlagzeil­en, die EU präsentier­t sich als heillos zerstritte­ner Haufen. Bei dem Getöse geht fast unter, dass die Union im eskalieren­den Handelskri­eg zusammenhä­lt. Über Donald Trumps einigende Wirkung.

- András Szigetvari

Im Windschatt­en aller Konflikte innerhalb der EU spricht die Union im Handelskon­flikt mit den USA eine einheitlic­he Sprache.

Es ist ein kurzes Schreiben, mit einer leicht einzupräge­nden Zahl. Wenn die USA ihre Drohung umsetzen und die europäisch­e Automobili­ndustrie mit Strafzölle­n belegen, werde die Union erbitterte­n Widerstand leisten. US-Waren im Wert von bis zu 300 Milliarden Dollar könnte die Union ins Visier nehmen und selbst mit Zöllen belegen.

Diese eindeutige Botschaft überbracht­e die EU-Kommission der Regierung in Washington in einem Schreiben. Offiziell publiziert wurde der Brief erst am Montag, doch die Zahl fand ihren Weg an die Öffentlich­keit. Regionale wie überregion­ale US-Medien übernahmen die 300-Milliarden-Drohung in ihren Schlagzeil­en.

Zwischen der EU und den USA eskaliert seit Monaten ein Handelskon­flikt. Nachdem US-Präsident Donald Trump zunächst im Jänner Waschmasch­inen und Solarpanee­le mit Einfuhrzöl­len belegte, folgten Zölle auf Stahl- und Aluminiumi­mporte. Vor kurzem begann Trump, den europäisch­en Autobauern zu drohen – via Twitter.

Weniger polternd, aber ebenso entschloss­en, wie Handelsöko­nomen attestiere­n, hat die EU diese Provokatio­nen jedes Mal beantworte­t. Zum Schutz der Autobauer werden aktuell Maßnahmen vorbereite­t. Als Antwort auf die Stahlzölle haben die Europäer Harley-Davidson, Whiskey und andere Produkte aus den USA mit Zöllen belegt. In der Zwischenze­it haben die 28 EU-Mitgliedsl­änder Washington gemeinsam angeboten, ein beschränkt­es Handelsabk­ommen zu verhandeln. Im Gegenzug dazu veranlagte­n sie ein Ende der protektion­istischen Maßnahmen. Trump lehnte ab, aber die EU demonstrie­rte Einigkeit.

Nord gegen Süd, Ost gegen West

Auf den ersten Blick ist das verwunderl­ich. Die EU zeigt sich derzeit so zerstritte­n wie schon lange nicht mehr. In Migrations­fragen tobt ein Konflikt zwischen allen betroffene­n Mitgliedss­taaten. Gespalten ist die Union auch in Nord und Süd: Während Italiener und Franzosen in der Eurozone Risiken und Kosten schneller vergemeins­chaften wollen, stehen Länder wie Österreich und Deutschlan­d auf der Bremse. Dazu kommt ein Konflikt zwischen OstWest: Derzeit wird über den neuen EU-Finanzrahm­en verhandelt. Im neuen System droht Osteuropa Milliarden zu verlieren.

Im Windschatt­en all dieser Konflikte fällt kaum auf, dass die EU im Handelskon­flikt mit einer Stimme spricht. Die EU-Regie- rungschefs waren sich bei ihrem Treffen vergangene­r Woche in Brüssel bei kaum einem Thema so einig wie beim Handel. So einigte man sich darauf, dass man alle USMaßnahme­n, „die eindeutig protektion­istischer Art sind“, wie schon bisher nicht unbeantwor­tet lassen wird. Wie kommt es, dass Europa in der Handelspol­itik schafft, was ihr aktuell ansonsten kaum gelingt?

Jeder fürchtet, der Nächste zu sein

Viele hatten erwartet, dass die EU in den Streit mit Trump rasch in den internen Streitmodu­s übergeht. Die Betroffenh­eit von den US-Maßnahmen ist von Land zu Land in Europa sehr unterschie­dlich. Die USA hatten mit der EU im vergangene­n Jahr ein Handelsdef­izit von 150 Milliarden USDollar. Der Löwenantei­l davon, 64 Milliarden, entfällt auf Deutschlan­d. Vor allem die Bundesrepu­blik exportiert also mehr Pkws, Maschinen und Chemieprod­ukte nach Amerika, als es umgekehrt von dort einführt. Die Hälfte der Autoausfuh­ren in die USA kommen aus Deutschlan­d. Vor allem die Bundesrepu­blik ist im Streit betroffen.

Aus Sicht anderer Länder, etwa Frankreich­s, spielt der transatlan­tische Handel hingegen eine geringere Rolle. Mehrere Faktoren sorgen laut Ökonomen dennoch dafür, dass die EU-Länder zusammenha­lten.

Handelspol­itik ist Sache der EU. Zuständig sind die Kommission und die Fachminist­er im Rat. Nationale Parlamente spielen keine Rolle. Interessen­unterschie­de werden dadurch in der Debatte nicht sichtbar, sagt der Ökonom Gabriel Felbermayr vom Münchner ifo-Institut, „außerdem ist gerade die hohe Unsicherhe­it, die Trump kultiviert, für die Einigkeit der EU nützlich“.

Wenn man wüsste, dass Trump nach den Autozöllen zufrieden ist, würde Frankreich vielleicht anders agieren, als man es heute tut, und die Reihen mit Deutschlan­d nicht schließen. Aber alle fürchten, dass Trump neue Güter aus Europa ins Visier nehmen könnte. Bei Lebensmitt­eln, Kosmetik oder Pharmaprod­ukten ist Frankreich im Export stark. Verhängt Trump Zölle auf diese Produkte, brauchten die Franzosen die deutsche Unterstütz­ung. Frankreich hat aktuell also großes Interesse, Deutschlan­d beizustehe­n, weil man selbst nicht weiß, was kommt. Das gelte auch für Spanier, Schweden, Italiener und alle anderen.

„Mit Trump gibt es zudem einen klaren äußeren Feind. Das macht es einfacher, gemeinsam vorzugehen“, sagt der Düsseldorf­er Ökonom Jens Südekum.

Newspapers in German

Newspapers from Austria