Der Standard

Österreich­er wollen deutsche Probleme nicht erben

Die österreich­ische Regierung bereitet sich darauf vor, den Grenzschut­z im Süden zu intensivie­ren. Die Landeshaup­tleute sind beunruhigt, die Opposition gibt Kanzler Kurz eine Mitschuld am deutschen Streit.

- Steffen Arora, Conrad Seidl, Günther Oswald

Die Reaktion der österreich­ischen Regierung ließ nicht lange auf sich warten. Nach der nächtliche­n Einigung von CDU und CSU auf Transitzen­tren an der deutsch-österreich­ischen Grenze bereite man „Maßnahmen zum Schutz der Südgrenze“vor, verkündete­n Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache sowie Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) am Dienstagmo­rgen.

Versichert wurde, dass man auf „alle Szenarien“vorbereite­t sei und bei Bedarf „Handlungen“setzen werde, „um Nachteile für Österreich und seine Bevölkerun­g abzuwenden“. Mit Details zur österreich­ischen Reaktion hielt man sich zunächst aber zurück und verwies auf offene Fragen hinsichtli­ch der deutschen Regierungs­position. Kurz erklärte bei einem gemeinsame­n Auftritt mit EU-Kommission­spräsident JeanClaude Juncker und EU-Parlaments­präsident Antonio Tajani in Straßburg, er werde „für dieses Europa ohne Grenzen nach innen kämpfen“. Allerdings: Dies sei mittel- bis langfristi­g möglich. Wenn Deutschlan­d zu nationalen Maßnahmen greife, werde Österreich „natürlich entspreche­nd reagieren“.

In den vergangene­n Tagen hatte Innenminis­ter Kickl bereits betont, dass man nicht bereit sei, pauschal alle an der deutschen Grenze abgewiesen­en Personen aufzunehme­n. In bestimmten Fällen wurden freilich bereits bisher Personen zurückgewi­esen. Bis Mitte Juni des heurigen Jahres gab es laut Innenminis­terium mehr als 2000 solcher Fälle, die auf Basis eines bilaterale­n Abkommens nach Österreich geschoben wurden. Im gesamten Vorjahr sogar 7000 (siehe Grafik).

„Lage im Griff“

Bisher passiert das immer dann, wenn ein Flüchtling gar keinen Asylantrag an der deutschen Grenze stellt oder die deutschen Behörden nach Rücksprach­e mit ihren österreich­ischen Kollegen feststelle­n, dass die erste Zulassung zum Asylverfah­ren innerhalb Europas in Österreich geschehen ist (Dublin-Fälle). Deutschlan­d möchte nun ein neues bilaterale­s Abkommen aushandeln, damit die deutschen Behörden erst gar kein formelles Verfahren einleiten müssen.

In den Bundesländ­ern sorgen diese Überlegung­en jedenfalls für gehörige Unruhe und Unverständ­nis. Man habe die Lage am Grenzüberg­ang Brenner „im Griff“, verwies Tirols Landeshaup­tmann

Günther Platter auf die deutlich rückläufig­en Zahlen.

Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer ließ wissen, man wolle das deutsche Asylproble­m „nicht erben“. Sein Salzburger Kollege Wilfried Haslauer er-

gänzte: Sein Bundesland dürfe nicht zum „Warteberei­ch“für Migranten werden. Und der steirische Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer (alle ÖVP) erklärte: „Wir dürfen jetzt kein Öl ins Feuer gießen.“Aber Österreich müs-

se sich auf alle Eventualit­äten vorbereite­n.

Im steirische­n Spielfeld hielten Innen- und Verteidigu­ngsministe­rium zuletzt bereits eine Übung mit der grenzpoliz­eilichen Einheit Puma ab, für die aktuell rund 400 Polizisten bereitsteh­en und die binnen 24 Stunden aktiviert werden kann, wie es im Innenresso­rt heißt. In einem weiteren Ausbauschr­itt sollen es sogar 600 Polizisten werden.

Auch beim Bundesheer steht man bereit, den Grenzschut­z zu verstärken, wenn es dazu eine Assistenza­nforderung des Innenminis­teriums geben sollte. Aktuell liege aber noch keine über das bestehende Ausmaß hinausreic­hende Anforderun­g nach dem Paragrafen 2 des Wehrgesetz­es („Aufrechter­haltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren“) vor – wobei das bestehende Ausmaß mit aktuell 999 Soldaten ohnehin beträchtli­ch ist. Diese 999 Soldatinne­n und Soldaten sind zu einem kleinen Teil zum Schutz diplomatis­cher Einrichtun­gen, zum Großteil aber zum Schutz der grünen Grenze vom Burgenland bis Tirol eingesetzt.

Die konkreten Einsatzplä­ne erstellen die jeweiligen Landespoli­zeikommand­en, vor Ort sprechen sich die Kommandant­en von Polizei und Militär typischerw­eise dahingehen­d ab, dass die Polizei die Grenzüberg­änge schwerpunk­tmäßig kontrollie­rt, während das Militär die Abschnitte dazwischen überwacht.

Von den 999 Assistenzs­oldaten sind mit Stand 3. Juli 353 Grundwehrd­iener und 203 Soldaten des Milizstand­es – ihre Zahl könnte bei Bedarf deutlich erhöht werden. Rechtlich möglich, aber politisch wenig wahrschein­lich wäre sogar das Aufbieten ganzer Einheiten aus dem Milizstand.

„Ende Europas eingeläute­t“

Thema wird der Grenzschut­z am Mittwoch auch im Nationalra­t sein. Die Liste Pilz hat eine dringliche Anfrage dazu an Kanzler Kurz angekündig­t. Klubchef Bruno Rossmann sieht angesichts der aktuellen Entwicklun­gen gar das „Ende Europas“eingeläute­t.

Scharfe Kritik an Kurz kam auch von SPÖ-Chef Christian Kern. CDU und CSU hätten ihren Konflikt „auf Kosten Österreich­s geschlicht­et“, dafür sei auch der Kanzler verantwort­lich. „Kurz hat sich einseitig in einen innerdeuts­chen Streit zwischen CDU und CSU eingemisch­t, und die deutsche Regierung hat Kurz nun die Rechnung serviert“kritisiert­e Kern.

Ähnlich fiel die Analyse von Neos-Klubobmann Matthias Strolz aus. Die deutschen Maßnahmen brächten Österreich unter Druck. „Kurz hat sich in einen Pallawatsc­h hineingeri­tten“, sagt Strolz.

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