„Wahlkampfmodus statt Problemlösung“
Gerda Falkner, Europäische-Integrations-Forscherin
Standard: Welche Themen vermissen Sie auf der Agenda des EU-Vorsitzes? Falkner: Ein bislang wenig betontes, aber essenzielles Thema ist die Debatte zur Reform der EU sowie der Eurozone, zu der es erste vage Ideen von Frankreich und Deutschland gibt. Wir haben in der Wirtschafts- und Währungsunion heftige Spannungen. Teilweise haben Länder trotz Disziplin nicht mit Österreich und Deutschland vergleichbare Wachstumsraten und Exporterfolge. Hier braucht es eine Art von Ausgleich. Auch muss man den Euroraum weiter gegen Spekulationen der Finanzmärkte absichern.
Standard: Was wird tatsächlich passieren? Falkner: Ich befürchte, dass ein Fokus auf Migrationsabwehr bleibt, aber die Ursachenbekämpfung, wie ein „Marshallplan für Afrika“, und EU-Reformen zu kurz kommen.
Standard: Was kann und will die österreichische Bundesregierung in der EU bewirken? Falkner: Wenn man das gute Motto „Brücken bauen“ernst nimmt, muss man eigene Interessen hintanstellen. Bisher hatte man den Eindruck, dass zumindest in der Migrationspolitik teils eine konfrontative Linie gefahren wird. Hier überdeckt der Wahlkampfmodus manchmal den Problemlösungsmodus.
Standard: Wie europafreundlich ist die Bundesregierung? Falkner: Insgesamt versucht man, sich europafreundlich zu präsentieren. Schwer abzusehen ist, ob die gemeinsame Linie im EU-Wahlkampf standhält. (mhe)