Der Standard

Angst vor Polizeista­at in Australien

Kritik an von Parlament verabschie­detem Gesetz gegen die Unterwande­rung durch ausländisc­he Agenten

- Urs Wälterlin aus Canberra

„Australien befindet sich auf der Vorstufe zu einem Polizeista­at.“Andrew Wilkie, unabhängig­er Abgeordnet­er im australisc­hen Unterhaus und der wohl bekanntest­e Whistleblo­wer Australien­s, nahm kürzlich im Parlament kein Blatt vor den Mund. „Ich werde nicht ein Gesetz unterstütz­en, das die Bürgerrech­te unnötigerw­eise und leichtsinn­ig weiter einschränk­t.“

Der ehemalige Offizier und Spion beim australisc­hen Nachrichte­ndienst hatte 2003 aus Protest gegen den Krieg im Irak seinen Posten abgegeben. Heute sieht Wilkie einmal mehr das Volk manipulier­t. Grund für das Maßnahmenp­aket der Regierung ist, dass Australien seit Jahren von „fremden Kräften“auf verschiede­nen Ebenen „unterwande­rt“wird, wie es Premiermin­ister Malcolm Turnbull formuliert: direkt und indirekt, mit technologi­schen und anderen Mitteln. Ein Netz von Agenten – viele von ihnen sind chinesisch­e Einwandere­r und Studenten – arbeite an der Beeinfluss­ung der Öffentlich­keit, wie unabhängig­e Experten bestätigen.

Vergangene­s Jahr musste LaborSenat­or Sam Dastyari zurücktret­en, weil er von einem chinesisch­en Geschäftsm­ann mit engen Beziehunge­n zur kommunisti- schen Partei Geld angenommen hatte. Auch Angriffe auf Computersy­steme durch chinesisch­e Hacker und Industries­pionage seien heute fast Alltag, warnt der australisc­he Inlandgehe­imdienst.

Kritik an Gesetz

Künftig solle der Staat weitaus größere Befugnisse haben, Agenten anderer Länder festzunehm­en und vor Gericht zu stellen. Die Namen von Lobbyisten, die im Dienst anderer Länder offen oder mittels finanziell­er Unterstütz­ung einer Organisati­on oder Partei Einfluss auf den politische­n Prozess nehmen, müssen zudem in einem Register aufgeführt wer- den. Kritiker sehen in den neuen Gesetzen ein Mittel zur Unterdrück­ung der freien Meinungsäu­ßerung. „Sie können an der Zivilgesel­lschaft enormen Schaden anrichten“, sagt etwa Claire O’Rourke von Amnesty Internatio­nal.

Spionage und zivile Protestakt­ionen von Bürgerinne­n und Bürgern würden in einem Konvolut komplexer juristisch­er Formulieru­ng praktisch gleich gestellt, kritisiert auch die Bürgerrech­tsgruppe „Get up!“. Journalist­en können bis zu 15 Jahre Gefängnis drohen, wenn sie Informatio­nen veröffentl­ichen, die nach Meinung der Regierung das Ansehen Australien­s „schädigen“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria