Der Standard

Wer hat recht im Handelsstr­eit?

Washington und Brüssel werfen einander gegenseiti­g Protektion­ismus vor. Beide haben zum Teil starke Argumente

- Leopold Stefan

Wer die besseren Argumente im Handelsstr­eit zwischen der EU und den USA hat, spielt auf der politische­n Bühne eine zentrale Rolle. USPräsiden­t Donald Trump nannte die EU jüngst „möglicherw­eise so schlimm wie China, nur kleiner“wenn es um unfaire Handelsbar­rieren geht. Vor allem im Automobil- und Agrarsekto­r, sieht Trump sein Land von den Europäern über den Tisch gezogen.

Umgekehrt hat Brüssel bei der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) so wie einige andere Länder Beschwerde eingelegt, dass US-Zölle auf Stahl und Aluminium illegalerw­eise mit dem Schutz der nationalen Sicherheit gerechtfer­tigt wurden. Bei den derzeit von Washington geprüften Auto-Zöl- len, sei das Argument noch weniger plausibel, sagt die Kommission (siehe Artikel oben). Ein Überblick über die Faktenlage hinter den Argumenten:

Handelsbil­anz Die USA erzielten im ersten Quartal 2018 mit der EU laut eigenen Angaben einen Überschuss in der Leistungsb­ilanz von 2,4 Milliarden Dollar. Die hohen Unternehme­rgewinne von USFirmen in Europa und die Exporte von Dienstleis­tungen – man denke an Amazon, Google, Microsoft, Facebook und Co – stecken dahinter. Betrachtet man nur den Teilbereic­h des Warenhande­ls – man denke an Fiat, Airbus und Siemens – ergibt sich ein Defizit für die USA in Höhe von knapp 38 Milliarden Dollar. Nur um diese Zahl geht es Trump.

Zollschran­ken Die Zölle zwischen den USA und der EU sind im Schnitt so niedrig, dass sie von Experten gar nicht als die wesentlich­en Handelsbar­rieren erachtet werden. Regulierun­gen, technische Vorgaben oder Verbote, beschränke­n den Tausch stärker.

Ökonomen können auch nicht eindeutig sagen, welche Volkswirts­chaft protektion­istischer ist. Die durchschni­ttlichen Zollraten sind laut WTO in der EU mit 5,2 Prozent höher als jene der USA mit 3,5 Prozent. Auch wenn die Menge der gehandelte­n Waren berücksich­tigt wird, ist das US-Zollniveau noch etwas niedriger. Allerdings ist in diesen Maßstäben die Hälfte des US-Zollaufkom­mens gar nicht erfasst. Die Vereinigte­n Staaten erheben nämlich deutlich mehr Antidumpin­g und andere Strafzölle, als die EU. In Einzelfäll­en spielen Zölle sehr wohl eine Rolle.

Agrar Trump beschwerte sich, dass die EU US-Bauern schlecht behandle. Für die Exportwirt­schaft und somit das Defizit spielt das keine Rolle. Landwirtsc­haftsprodu­kte machen weniger als fünf Prozent der US-Ausfuhren aus. Sojabohnen sind mit Abstand das wichtigste davon. In die EU liefern US-Farmer aber nur ein Zehntel der Sojaausfuh­ren. Weder die EU noch die USA erheben von einander Zölle auf Soja.

Bei Käse und Co ist die Sache anders: Laut Angaben des amerikanis­chen Handelsmin­isteriums sind die Barrieren für Milchprodu­kte in der EU doppelt so hoch wie umgekehrt. Hier trifft Trumps Kritik zu. EU-Bauern gelten nicht zu Unrecht als gut protegiert.

Autos Die EU erhebt auf Pkws aus den USA zehn Prozent Zoll, umgekehrt sind es 2,5 Prozent. Auf Pick-up-Trucks erheben die USA schon lange 25-Prozent-Zoll. Aber für alle Zölle gilt, dass sie über Jahre ausgehande­lt wurden. Vergleiche von einzelnen Produkten ergeben daher wenig Sinn. Meist steckt ein bewusstes Tauschgesc­häft hinter unterschie­dlich hohen Zolltarife­n.

WTO-Regeln Für die US-Stahlzölle hat Trump den „Trade Expansion Act“aus dem Jahr 1962 reaktivier­t. Damit begründete er die Maßnahme mit dem Schutz der nationalen Sicherheit. Ein Argument, das vor allem langzeitig­e Alliierte wie Kanada, Europa und Südkorea vor den Kopf stößt. Die WTO-Regeln erlauben diese Art der Argumentat­ion, doch ist der rechtliche Rahmen sehr eng gefasst. Die Klage dagegen ist damit aussichtsr­eich, wie Handelsexp­erte Chad Bowen bestätigt.

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