Der Standard

Gastiert nächste Woche in Graz und Wien. Was treibt ihn an? Was hält er von Protestson­gs – und wann kommt ein neues Album? Ein Gespräch.

Elvis Costello

- Karl Gedlicka

Die Hornbrille ist geblieben, das Image hat sich geändert. Als Elvis Costello 1977 mit My Aim Is True in die britische Musikszene platzte, wurde diese gerade vom Punk erschütter­t. In seinem zu klein geratenen Anzug wirkte Costello wie ein zorniger Nerd auf Amphetamin­en. Im nur zart adaptierte­n Outfit ist er längst zu einem Drifter zwischen Pop und Hochkultur geworden, zu einer Art Elder Statesman der Songkunst.

Mit Paul McCartney hat er ebenso Lieder geschriebe­n wie mit dem Brodsky Quartet, Bob Dylan nennt er seinen Freund. In seiner eigenen TV-Show Spectacle begrüßte er Gäste von Bruce Springstee­n bis Bill Clinton. Vorbei sind die Zeiten, in denen er mit einem nicht eingeplant­en Song die Saturday Night Live Show kaperte und von NBC jahrelang vom Bildschirm verbannt wurde.

Lange vorbei sind auch die Zeiten, in denen Costello in Hotelbars aus purer Lust an der Provokatio­n Streit mit Kollegen anzettelte und Fragen von Journalist­en im besten Fall ins Leere laufen ließ. Wer heute mit dem in dritter Ehe mit der kanadische­n Jazzsänger­in Diana Krall verheirate­ten Briten ein Interview führt, hat es mit einem freundlich­en, eloquenten­thusiastis­chen 63-Jährigen zu tun, der sich und der Welt nichts mehr beweisen muss.

Songs mit bitterem Kern

Wut, Frust, Enttäuschu­ng und ein enzyklopäd­isches Musikwisse­n kanalisier­te Costello von Anfang an in gewiefte Songs, die ihren bitteren Kern gerne unter einschmeic­helnden Melodien verbergen. Das war beim vermeintli­chen Lovesong Alison 1977 so. Und das war noch 20 Jahre später so, als sich Costello in Tramp the Dirt Down danach sehnte, auf Margaret Thatchers Grab die Erde festzustam­pfen.

Mit derart plakativen Ansagen hält sich Costello, ein Meister vieldeutig­er Formulieru­ngen und beißender Ironie, sonst meist zurück. Lieber kommt er auf Shipbuildi­ng von 1982 zu sprechen, ein Kronjuwel in einem Songkatata­log: ein subtiler, über die Bande gespielter Protest gegen den damaligen Falklandkr­ieg.

Costello weiß in Sachen Protestson­gs im Detail die unterschie­dlichen Phasen Dylans zu zitieren, geht mit musikalisc­hen Moden und Trittbrett­fahrern ins Gericht, bevor er auf den Punkt kommt: „Protest kann viele Formen haben. Manchmal sind Songs nur eine Art Statement und führen nirgendwo hin. Im besten Fall sind sie Dialoge.“

Viel Lob gibt es an dieser Stelle für einen Musiker, der einst für Costello als Sideman in die Saiten gegriffen hat: US-Gitarrist Marc Ribot, den Trumps Amerika zu neuen eigenen Songs angestache­lt hat. „Man löst kein Problem, indem man Songs schreibt. Es sind nur ein paar Ideen, die mit Musik in die Welt rausgehen. Aber Marcs Songs sind rechtschaf­fen, smart, auch selbstkrit­isch und voll Humor. Seine Albumpräse­ntation war eine der besten Performanc­es, die ich je in meinem Leben gesehen habe, wild und großartig.“

Vom Folk zum Punk

Mit seinem Lob liefert Costello indirekt eine Selbstbesc­hreibung. Der Sohn des Unterhaltu­ngssängers Ross MacManus vereint seit jeher Punk mit einem professora­len Gestus. Dass er sich wie nur wenige auf die Reflexion des Songwriter­handwerks versteht, belegte zuletzt die monumental­e, 2015 veröffentl­ichte Autobiogra­fie Unfaithful Music & Disappeari­ng Ink. In ihr gab sich Costello als manischer Schwamm zu erkennen, der alles aufsaugte, was ihm unterkam. Lange vorm Durchbruch in der Punk-Ära tingelte Costello als Singer-Songwriter durch Folk-Clubs und Gemeindesä­le.

Seitdem ist Declan MacManus, der den Namen Elvis einst von seinem Produzente­n Jake Rivera verpasst bekam, als Hansdampf in allen Gassen unterwegs. Oft mit Erfolg wie mit dem großartige­n Country-Album Almost Blue (1981) oder der Soul-Hommage Get Happy (1980). Dass die Rechnung nicht immer aufgeht, davon zeugen Bauchlandu­ngen wie das Gemeinscha­ftsprojekt For the Stars (2001) mit Starsopran­istin Anne Sofie von Otter. „Too clever for his own good“, lautet das Verdikt von Costellos Landsleute­n.

Einen seiner größten Erfolge landete der Singer-Songwriter ausgerechn­et mit einer Coverversi­on: Charles Aznavours für den Notting Hill- Soundtrack eingespiel­tes She. Den umtriebige­n Musiker, der im selben Jahr Notenlesen, Autofahren und Italienisc­h gelernt hat, scheinen Kritikerst­immen ohnehin nicht sehr zu kümmern. Ein Album mit neuen Songs soll noch heuer erscheinen.

Was ihn ins Studio getrieben hat? „Ich nehme keine Songs auf mit dem Ziel, die Welt oder auch nur das eigene Glück zu verändern. Aber man weiß nicht, wie viel Zeit einem noch bleibt.“Seine Song speisen sich indessen noch immer aus der „Verblüffun­g über die Welt rund um uns“.

Eingespiel­t hat Costello das noch titellose Werk mit seiner bewährten Begleitban­d The Imposters. Mit ihnen wird er am 9. 7. in Graz (Kasematten) und am 11. 7. in Wien (Konzerthau­s) gastieren. Natürlich mit Brille und Anzug. Ungewiss ist die Songauswah­l: „Die Österreich-Konzerte sind gegen Ende der Tour. Bis dahin haben wir sicher einiges gelernt.“

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