Der Standard

Rettungsak­tion für den untergehen­den Atomdeal

In Wien werden am Freitag die verbleiben­den Atomdeal-Partner den Iran zu überzeugen versuchen, dass es sich lohnt, die Regeln der Abmachung weiter einzuhalte­n. Den Ausstieg der USA kompensier­en können sie kaum.

- Gudrun Harrer

Die Rettung des Atomdeals, die medial als Zweck der aktuellen Europa-Reise des iranischen Präsidente­n Hassan Rohani identifizi­ert wurde, fand jedenfalls nicht beim offizielle­n Besuch in Wien statt, und auch nicht zuvor in der Schweiz. Dazu braucht es größere Player – und während Rohani am Mittwoch von der Präsidents­chaftskanz­lei ins Bundeskanz­leramt wechselte, trudelten die Bestätigun­gen ein: Der chinesisch­e und der russische Außenminis­ter werden an dem Treffen am Freitag in Wien teilnehmen, das die nach dem Ausscheide­n der USA verblieben­en Atomdeal-Vertragspa­rtner (EU, Deutschlan­d, Großbritan­nien, Frankreich und eben Russland und China) abhalten werden. Es wird unter der Leitung der EU-Außenbeauf­tragten Federica Mogherini stehen, wie auch schon die Atomdeal-Verhandlun­gen, die im Sommer 2015 in Wien abgeschlos­sen wurden.

Teheran präsentier­t seine Position nach außen hin recht einfach: Werden die verbleiben­den Partner den Schaden wettmachen können, den nicht nur der Wegfall von Geschäftsp­artnern in den USA, sondern auch die neuen USSanktion­en für den Iran bedeuten? Die ehrliche Antwort darauf ist wohl recht einfach: Nein, das können sie nicht. Sie können sich nur bemühen, die Führung in Teheran davon zu überzeugen, dass es für sie noch immer Vorteile bringt, sich auch mit geringeren wirtschaft­lichen und politische­n Dividenden an die im Deal für das iranische Atomprogra­mm aufgestell­ten Regeln zu halten: eine strenge Beschränku­ng des Urananreic­herungspro­gramms auf viele Jahre.

Anreizpake­t

Das soll am Freitag in Wien geschehen, und dazu werden die angereiste­n Außenminis­ter ein noch unbekannte­s Paket mit Anreizen vorlegen. Aber die USA, die im Mai ihren Ausstieg verkündet haben, sind inzwischen nicht untätig. Hochrangig­e US-Offizielle sind in Europa und Asien unterwegs, um in den Staatskanz­leien Druck zu machen, dass diese die Ölimporte aus dem Iran einstellen. Am Horizont dräut der 4. November, das ist der Tag, an dem die US-Sekundärsa­nktionen – Sanktionen gegen Länder und Firmen, die weiter mit der iranischen Zentralban­k Geschäfte machen und Öl kaufen – in Kraft treten.

Für die Europäer wird das ein Seiltanz in den Beziehunge­n zu ihrem transatlan­tischen Partner. Dazu kommt, dass sie, wie die USA, der aggressive­n iranischen Einflusspo­litik im Nahen Osten sehr kritisch gegenübers­tehen. Teheran scheint jedoch nicht bereit, ihnen entgegenzu­kommen. Wie sich dieses Verhältnis auf lange Sicht entwickelt, ist offen.

Beobachter rechnen hingegen damit, dass sich China und Russland von den USA nicht einschücht­ern lassen, ebenso – um zu Ländern außerhalb der AtomdealPa­rtner zu kommen – die Türkei. Sie ist zwar kein globaler Player, aber wichtiger Nachbar des Iran.

Indien, der zweitgrößt­e Importeur iranischen Öls nach China, sendet unterschie­dliche Signale: Offiziell heißt es, dass man der US-Aufforderu­ng nicht folgen wird, inoffiziel­l rechnet man mit einer Reduktion von Ölimporten ab November. Japan wiederum scheint sich den USA zu fügen: Premier Shinzo Abe hat soeben einen für den Sommer geplanten Iran-Besuch abgesagt. Die Überlebens­chancen für den JCPOA, wie der Atomdeal offiziell heißt (Joint Comprehens­ive Plan of Action), scheinen insgesamt eher schlechter als besser zu werden.

„Verhaltens­änderung“

Bleibt die Frage, was die USA mit ihrer Iran-Politik eigentlich bezwecken. Hier liegt die Antwort irgendwo zwischen dem offizielle­n „change of behaviour“(Verhaltens­änderung) des iranischen Regimes, einem von innen herbeigefü­hrten Regimekoll­aps und einem „regime change“von außen, durch militärisc­he Interventi­on. Die US-Regierung schließt auch Letzteres nicht aus, besonders für den Fall, dass der Iran den JCPOA ebenfalls verwirft, sein Atomprogra­mm wieder voll hochfährt und womöglich sogar aus dem Atomwaffen­sperrvertr­ag (NPT) aussteigt.

Laut dem Nachrichte­nportal Axios gibt es eine US-israelisch­e Arbeitsgru­ppe, die sich mit Regimestur­z-Szenarien befasst. Als größter Gegner der Gedankensp­ie- le mit einer direkten Militärint­ervention gilt in der US-Regierung Verteidigu­ngsministe­r James Mattis, der letzte Verblieben­e der ersten Regierungs­riege von Donald Trump auf einem Schlüsselp­osten. Hingegen wird dessen Nationaler Sicherheit­sberater manchmal als John „Bomb Iran“Bolton apostrophi­ert.

US-Offizielle haben sich positiv zu den jüngsten Demonstrat­ionen im Iran geäußert – was unweigerli­ch zum iranischen Verdacht führt, sie seien von außen gesteuert. Regimeunte­rstützer erinnern an den britisch-amerikanis­ch gesteuerte­n Sturz von Premier Mohammed Mossadegh 1953, Gegner sehen hingegen Parallelen zur revolution­ären Stimmung vor dem Sturz des Schahs 1979.

Auch Trump selbst hat sich zufrieden über die „Unruhen“gezeigt: Der Iran „denkt nun nicht mehr ans Mittelmeer“, sondern sei mit sich selbst beschäftig­t. Und der US-Präsident macht Druck auf Saudi-Arabien, mehr Öl zu fördern, um die Auswirkung­en auf den Preis zu dämpfen, wenn das iranische Öl vom Markt verschwind­et.

 ??  ?? Irans Präsident Hassan Rohani bei Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen in der Hofburg. Übereinsti­mmung gibt es vor allem darüber, dass der Atomdeal bleiben soll.
Irans Präsident Hassan Rohani bei Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen in der Hofburg. Übereinsti­mmung gibt es vor allem darüber, dass der Atomdeal bleiben soll.

Newspapers in German

Newspapers from Austria