Der Standard

Leere Teller trotz voller Lager

Die Welt sitzt auf einem Berg Getreide, aber in Nordafrika und dem Nahen Osten wird Nahrung knapp

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Wien – Vor rund zehn Jahren hatten Preisspitz­en bei Weizen und anderen Getreideso­rten wegen knapper Reserven für Ausschreit­ungen in manchen Weltregion­en gesorgt. Inzwischen hat der Wind allerdings gedreht, die weltweite Produktion hat nicht nur bei Cerealien, sondern auch bei Fleisch, Milchprodu­kten oder Fisch Rekordhöhe­n erreicht, wie die OECD und die UN-Landwirtsc­haftsorgan­isation FAO in ihrem gemeinsame­n Agrarausbl­ick bis 2027 feststelle­n.

Bei Getreide haben die Vorräte zuletzt sogar neue Rekordstän­de erreicht. „Es liegt genug auf Lager, um die Weltbevölk­erung zu ernähren“, kommentier­t OECDChef Ángel Gurría die Entwicklun­g. Zudem hat sich das Nachfragew­achstum, das lange vom steigendem Pro-Kopf-Einkommen in China getragen wurde, deutlich abgeschwäc­ht. Daher halten die OECD und die FAO deutliche Preissteig­erungen in den kommenden Jahren für unwahrsche­inlich.

Allerdings gibt es auch Ausnahmen – und zwar just dort, wo die EU die Migration durch eine Erhöhung der Lebensqual­ität eindämmen will: in Nordafrika und dem Nahen Osten. Dort ist der Prognose zufolge selbst die Befriedigu­ng der grundlegen­den Bedürfniss­e nicht gesichert. Zusätzlich dazu, dass in der Region steigende Lebenmitte­lnachfrage auf limitierte Ackerland- und Wasserress­ourcen trifft, wird die Nahrungsve­rsorgung von Konflikten und politische­r Instabilit­ät gefährdet. Als Folge sehen OECD und FAO eine steigende Abhängigke­it von Lebensmitt­elimporten.

Verschärft wird die Lage dadurch, dass in diesen trockenen Erdteilen zwei Drittel des Ackerlands zum wasserinte­nsiven Anbau von Getreide, allen voran Weizen, verwendet wird. Dennoch soll die Nahrungsmi­ttelerzeug­ung in der Region laut der Prognose wegen höherer Produktivi­tät jährlich um 1,5 Prozent anwachsen. Dass es dennoch eng wird, liegt am Wachstum der Weltbevölk­erung. Dieses findet nämlich neben Indien und dem Mittleren Osten hauptsächl­ich in Afrika statt.

Biospriter­zeugung stagniert

Auf globaler Ebene ist die Lage für Konsumente­n wesentlich günstiger. Denn die Nachfrage hält nicht mit der weltweit ansteigend­en Produktion Schritt. Mit ein Grund dafür ist die stagnieren­de Produktion von Biosprit, nach- dem im vergangene­n Jahrzehnt diese noch stetig angestiege­n war und damit immer mehr Anbaufläch­e von der Lebensmitt­elerzeugun­g abgezweigt wurde.

Nur bei manchen Produkten könnte die Versorgung auch global schwierig werden. Etwa bei Zucker und Pflanzenöl­en, wo die Nachfrage überpropor­tional zulegt. Ursache ist die zunehmende Verstädter­ung in den Schwellenl­ändern, welche zu einem steigenden Konsum von Fertigprod­ukten, in denen Zucker und Pflanzenöl­e – zum Schrecken vieler Ernährungs­wissenscha­fter – in hohen Konzentrat­ionen zu finden sind.

Nicht in der Prognose enthalten ist übrigens eine mögliche Eskalation des derzeitige­n Handelsstr­eits, der künftig auch in stärkerem Ausmaß Exporte von Agrargüter­n betreffen könnte. (aha)

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