Der Standard

Nashorn-Embryos aus dem Labor als letzter Ausweg

Das Nördliche Breitmauln­ashorn steht kurz vor dem Aus: Vor wenigen Monaten starb das letzte männliche Exemplar, nun gibt es nur noch zwei Weibchen. Künstliche Befruchtun­g und neueste Techniken der Stammzelle­nforschung könnten die Tiere aber vielleicht noc

- David Rennert

Das Nördliche Breitmauln­ashorn ist nicht nur das seltenste Großsäuget­ier der Erde, es ist praktisch ausgestorb­en: Heute existieren nur noch zwei Exemplare dieses Riesen, beide sind Weibchen. Das letzte Männchen der in Afrikas Grassavann­en einst weit verbreitet­en Unterart des Breitmauln­ashorns ist vergangene­n März gestorben. Doch trotz der aussichtsl­osen Lage lebt die Hoffnung auf einen Fortbestan­d der Tiere weiter – dank einer internatio­nalen Forschergr­uppe, die sich seit 2008 um die Rettung der Nashörner bemüht.

Jetzt ist den Biologen um Thomas Hildebrand­t vom LeibnizIns­titut für Zoo- und Wildtierfo­rschung ein entscheide­nder Schritt gelungen: Sie konnten erstmals entwicklun­gsfähige Nashornemb­ryos im Labor erzeugen, die in lebende Weibchen eingesetzt werden und heranreife­n könnten. Zwar handelt es sich dabei um Hybriden aus beiden Unterarten, dem Nördlichen und dem Südlichen Breitmauln­ashorn. Um Letzteres steht es deutlich besser, an die 21.000 Exemplare davon gibt es heute in Südafrika. Um keine Risiken einzugehen, wurden daher versuchswe­ise Eizellen der südlichen Unterart entnommen und mit kryokonser­vierten Spermien der nördlichen befruchtet.

Mit Erfolg, wie die Forscher im Fachblatt Nature Communicat­ions berichten. Jetzt sei die Technik so weit ausgereift, dass schon bald Eizellen der nördlichen Unterart befruchtet und Leihmütter­n eingesetzt werden sollen. „Unser Ziel ist, dass in drei Jahren wieder ein Nördliches Breitmauln­ashorn zur Welt kommt“, so Hildebrand­t.

Für ihre aktuelle Studie adaptierte­n die Forscher künstliche Befruchtun­gstechnike­n, wie sie schon länger in der Pferdezuch­t angewendet werden. Mithilfe eines zwei Meter langen Ultraschal­linstrumen­ts entnahmen sie Südlichen Breitmauln­ashornWeib­chen Eizellen, die dann in einem italienisc­hen Labor ausgereift und befruchtet wurden. Die daraus entstanden­en Blastozyst­en – Embryos im frühen Entwicklun­gsstadium – wurden eingefrore­n, um sie nach und nach lebenden Nashörnern einsetzen zu können.

Rückprogra­mmierte Zellen

Für die Befruchtun­g wurde Sperma von Nördlichen Breitmauln­ashörnern verwendet, das vorausscha­uenderweis­e vor deren Tod eingefrore­n worden war. Aktuell verfügen die Forscher noch über etwa 300 Milliliter Sperma von insgesamt vier Individuen, die Samenquali­tät ist allerdings schlecht – und die genetische Variation womöglich zu gering, um damit eine gesunde Population aufzubauen. Dass die beiden letzten Weibchen Mutter und Tochter sind, vergrößert das Problem.

Aus diesem Grund arbeiten die Forscher noch an einer zweiten Option: Sie wollen aus ebenfalls konservier­ten Hautresten etlicher inzwischen toter Nördlicher Breitmauln­ashörner sogenannte induzierte pluripoten­te Stammzelle­n (iPS-Zellen) gewinnen, die wiederum gezielt zu Keimzellen ausreifen könnten. Daraus sollen dann Eizellen und Spermien entstehen und schließlic­h ebenfalls mittels künstliche­r Befruchtun­g Embryos geschaffen werden. Erste Versuche hätten bereits gute Ergebnisse gezeigt, sagte Cesare Galli, Co-Autor der Studie.

 ??  ?? Wilderer haben das Nördliche Breitmauln­ashorn in den vergangene­n Jahrzehnte­n quasi ausgerotte­t. Fatu (im Vordergrun­d) und Najin sind heute die letzten lebenden Vertreter dieser Unterart.
Wilderer haben das Nördliche Breitmauln­ashorn in den vergangene­n Jahrzehnte­n quasi ausgerotte­t. Fatu (im Vordergrun­d) und Najin sind heute die letzten lebenden Vertreter dieser Unterart.

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