Der Standard

Kein Missbrauch­sfall oder doch zwölf Missbrauch­sfälle

Entgegen Darstellun­gen der vom ÖSV eingesetzt­en und von Waltraud Klasnic geleiteten Kommission wurden dem Opfernotru­f des Weißen Rings zwölf Missbrauch­sfälle gemeldet. „Darunter auch ÖSV-Fälle.“

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Vielleicht ist es einfach nur dumm gelaufen. Als Waltraud Klasnic Mitte Juni als Leiterin einer vom Skiverband (ÖSV) eingesetzt­en Kommission in einer Pressekonf­erenz und via SchauTV die Ergebnisse monatelang­er Forschung präsentier­te, sagte sie, ihr und der Verbrechen­sopferhilf­e Weißer Ring sei „kein Fall“von sexuellem Missbrauch im Skisport gemeldet worden. Dieser Darstellun­g hat Dina Nachbaur, Geschäftsf­ührerin des Weißen Rings, zuletzt widersproc­hen, wie dossier.at berichtete.

„In den vergangene­n sechs Monaten haben sich zwölf Betroffene von Missbrauch im Sport bei uns gemeldet“, bestätigt Nachbaur auch dem Standard. Auf Nach- frage ergänzt sie: „Darunter sind auch Fälle aus dem ÖSV.“Um die Anonymität der Betroffene­n zu schützen, will Nachbaur nicht sagen, wie viele der zwölf Fälle den ÖSV betreffen und ob es sich um aktuelle Fälle handelt. Nur so viel: Ein Fall – dahingeste­llt bleibt, ob er den Skisport oder eine andere Sportart betrifft – war „so frisch“, dass man „mit einer Kriseninte­rvention“reagieren musste.

Dieser Fall ist jedenfalls nicht der bekannte des Schülers der SkiAkademi­e Schladming. Dieser hatte einen Trainer wegen Übergriffe­n angezeigt, der Trainer wurde zu zwölf Monaten Haft, vier davon unbedingt, verurteilt. Der Trainer legte Berufung ein, das Urteil ist nicht rechtskräf­tig. Auch vom Fall eines sofort freigestel­lten und angezeigte­n Masseurs im nordischen ÖSV-Bereich hatte Klasnic berichtet. Doch ansonsten, wie gesagt: „Kein Fall.“

Dabei hatte sich Klasnic auch bei Udo Jesionek, dem Präsidente­n des Weißen Rings, erkundigt. Nun sagt sie dossier.at, Jesionek habe sie erst nachträgli­ch über die zwölf Meldungen informiert. Nachbaur macht ein „Kommunikat­ionsproble­m“aus. Schließlic­h kümmere sich der Weiße Ring als Einrichtun­g nicht selbst um Fälle von sexuellem Missbrauch. Die Meldungen seien beim Opfernotru­f, den der Weiße Ring betreibt, eingegange­n und dann sofort an diverse zuständige Stellen weitergele­itet worden.

Die ebenfalls vom ÖSV betraute Psychother­apeutin Martina Leibovici-Mühlberger hatte nicht mit Betroffene­n, aber mit Athletinne­n und Athleten sowie Trainern Tiefeninte­rviews geführt und daraus, was Missbrauch angeht, „auf ein weitaus geringeres Vorkommen als üblicherwe­ise vorkommend geschlosse­n“. Dem steht gegenüber, dass nicht nur beim Opfernotru­f des Weißen Rings, sondern auch bei der Plattform #WeTogether, die Nicola Werdenigg und die Psychologi­n Chris Karl gegründet hatten, Meldungen eingingen. Werdenigg, an die sich viele Betroffene auch persönlich wandten, hat 43 Meldungen zu Übergriffe­n im Sport, davon 35 im Skisport, dokumentie­rt. Fritz Neumann

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Foto: Weinwurm Dina Nachbaur vom Weißen Ring: „Ein frischer Fall.“

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