Sie tanzen mit Bach
Sommer ist Impulstanz-Zeit! Einen Höhepunkt des diesjährigen Programms bringen die belgische Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker und der große französische Cellist Jean-Guihen Queyras bereits zu Beginn des Tanzfestivals ins Burgtheater: Johann Sebasti
Seit Beginn ihrer Traumkarriere wird die belgische Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker für ihre außergewöhnliche Musikalität bewundert. Zu Recht, denn ihr untrügliches Gefühl für das Zusammenwirken von Klangfarben und Bewegungsformen, den raumverändernden und zeitformenden Einfluss von Tönen auf Situationen und die gesteigerte Wahrnehmung von in Musik bewegten Körpern ist in jedem ihrer Stücke zu spüren.
De Keersmaeker, geboren 1960 in Mechelen zwischen Antwerpen und Brüssel, überzeugte Publikum und Kritik bereits 1982 mit ihrem erst zweiten Stück, Fase – Four Movements to the Music of Steve Reich. Im Jahr darauf legte sie Rosas danst Rosas zu Kompositionen von Thierry De Mey und Peter Vermeersch nach und feierte ihren internationalen Durchbruch.
Wien ist für die mit einem Österreicher verheiratete Künstlerin ein Fixpunkt. Seit 1994 zeigt sie beinahe jedes Jahr eines ihrer Werke bei Impulstanz. Vergangenen Oktober füllte sie das Odeon neunmal hintereinander mit einer Neuerarbeitung von Rosas danst Rosas.
Jetzt kommt De Keersmaeker zusammen mit dem französischen Star-Cellisten JeanGuihen Queyras und vier Tänzerinnen und Tänzern ihrer Compagnie Rosas ans Burgtheater – mit ihrem jüngsten Stück Mitten
wir im Leben sind / Bach6Cellosuiten. Richtig kennengelernt habe er De Keersmaekers Arbeit auf Empfehlung von Bernard Foccroulle, berichtet der 1967 in Montreal geborene Musiker. Foccroulle hatte Rosas 1992, als er Direktor der Brüsseler Oper La Monnaie war, als Residenz-Compagnie zu sich ans Haus eingeladen.
„Ich bin ein Laie , was den Tanz anlangt“, gesteht Queyras. „Freunde haben mich oft genug zu Tanzaufführungen eingeladen, aber die Stücke haben mich meist nicht gereizt.“Bei De Keersmaekers Arbeit war das gleich etwas anderes: „Es hat mich beeindruckt, wie sehr sie mit der Methode einer Komponistin arbeitet.“Die Choreografin befasst sich nicht zum ersten Mal mit der Musik von Johann Sebastian Bach. Seine Musik, erläutert sie, spielte auch in ihren Stücken Toccata, Zeitung und Partita 2 eine wesentliche Rolle: „Es gibt auch einfach keinen anderen Komponisten, der es schafft, diese Art von ,verkörperter Abstraktion‘ so zu vermitteln wie er.“
An De Keersmaeker gewandt, ergänzt Queyras: „Ehrlich gesagt, ich habe das Gefühl, ich habe sie mit meiner Besessenheit von Bachs Harmoniefluss angesteckt.“Da sagt die Choreografin nicht Nein.
In ihrer Verantwortung liegt allerdings nicht nur, tänzerische Bewegungskompositionen zu generieren, sondern auch die Gestaltung einer eigens darauf abgestimmten räumlichen Atmosphäre. Dabei überlässt De Keersmaeker nichts dem Zufall, ob sie nun in einer Maschinenhalle arbeitet, unter freiem Himmel oder im Burgtheater. Denn der Raum und das Licht müssen in einem die Gesamtwirkung steigernden Dialog sowohl mit dem Tanz als auch mit der Musik stehen.
Bei Mitten wir im Leben sind / Bach6Cellosuiten sind Bachs Komposition und De Keersmaekers Choreografie in ein sehr spezielles Verhältnis zueinander gebracht. Denn, wie Queyras betont, „es ist unmöglich, die strikten Regeln des Barocktanzes auf die Cellosuiten anzuwenden“.
Daher wird Bachs Spiel mit Courante, Allemande oder Gigue, das Queyras den Tänzern ganz nahe live auf der Bühne wiedergibt, auf ein tänzerisches Geschehen treffen, in dem Soli, Duette und eine Gruppe, aber auch in einem bestimmten Moment die Abwesenheit von Tanz, die Harmonien des künstlerischen Dialogs bestimmen.