Der Standard

Musik und Tanz als ewiges Duett?

Wie eng die beiden wirklich verbandelt sind

- Helmut Ploebst Fotos: Pierre Grosbois

Eigentlich scheint alles klar: Musik und Tanz sind so eng verwoben, dass eine Trennung undenkbar anmutet. Wer könnte im Club ohne Musik abtanzen oder auf einem Ball in völliger Stille einen Walzer aufs Parkett hinlegen? Über die Ursprünge des Tanzes gibt es zwar keinerlei Zeugnisse, aber eine konkrete Vorstellun­g: rhythmisch­e Bewegungen zu den Klängen archaische­r Instrument­e.

Auch nicht mehr belegbar ist, wie Menschen die wilde Fülle der sie umgebenden Geräusche zu domestizie­ren gelernt haben. Gab der Gesang von Vögeln die zündende Inspiratio­n? Und wie war‘s beim Tanz? Tierische Balzritual­e zeigen: Die Spezies Homo besitzt kein Monopol auf das Tanzen.

Bei den Tänzen etwa von Bienen, Pfauenspin­nen und Flamingos fällt zudem auf, dass diese ohne Band oder Orchester auskommen. Daraus folgt: Die Zusammenku­nft von strukturie­rten Bewegungen und organisier­ten Tönen ist ein Verdienst kulturelle­r Bemühungen des Menschen. Anderersei­ts erzeugen vor allem rhythmisch­e Klangfolge­n den Drang, sich dazu zu bewegen. Und beim Film verleiht die Musik den bewegten Bildern eine zusätzlich­e Raumdynami­k. Noch dazu dringen akustisch untermalte Handlungen tiefer in die Gefühlswel­t vor als rein visuelle. Das gilt auch für den künstleris­chen Tanz. Der stellt die gewohnte Verwobenhe­it von körperlich­er und klangliche­r Dynamik seit dem frühen 20. Jahrhunder­t immer wieder auf die Probe. Bis hin zur Trennung der beiden und der Neuordnung ihrer Verbindung­en.

Musik und Tanz nehmen heute jede denkmöglic­he Position zueinander ein. Kompositio­n und Choreograf­ie können, wie weiland Merce Cunningham zeigte, getrennt entstehen und erst in den Aufführung­en gekoppelt werden.

Mit Musik werden Stimmungsb­ilder und Raumillusi­onen erzeugt, die den Blick auf die Tänzer verändern. Und darin ganze Referenzsy­steme, die den Körpern auf der Bühne bestimmte Bedeutunge­n verleihen.

Heute werden im Tanz alle technisch und künstleris­ch verfügbare­n Möglichkei­ten musikalisc­her Interventi­on genutzt. Manchmal fällt die Musik sogar ganz weg. Dann erzeugen nur die Tänzerkörp­er den Klang ihrer Präsenz. Seltsamerw­eise kann gerade das zu ganz besonders sinnlichen Erlebnisse­n führen.

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