Geschichte von allem, Grundtöne einer Generation
Fixpunkt jeder Impulstanz-Ausgabe ist die Reihe [8:tension] für junge Choreografen. Hier ein Blick auf die ersten drei Acts – von Karin Pauer, Ofelia Jarl Ortega und Shamel Pitts mit Mirelle Martins. Und eine Vorschau auf die nachfolgenden Performances.
Aus Europa, Südkorea und den USA sind die Teilnehmer der diesjährigen [8:tension]-Reihe des Impulstanz-Festivals angereist. Seit 2001 finden hier junge Choreografen und Choreografinnen ein besonderes Präsentationsformat.
Am 11. August hat dann eine der insgesamt acht Produktionen die Chance, den neuen Young Choreographers’ Award zu gewinnen und sich eine Artist-in-Residence-Position für das kommende Jahr zu sichern. Hier ein Blick auf die ersten Werke in dieser Performancereihe:
Vor fast zwei Jahren haben sich die Performancekünstler Shamel Pitts und Mirelle Martins in Brasilien kennengelernt. Der New Yorker hat dort eine seiner internationalen Gaga-Tanzklassen gegeben, sie war seine Schülerin. Ihre gemeinsame künstlerische Basis führte auch zu der Performance Black Velvet – Architectures and Archetypes, die im Wiener Schauspielhaus am 16. und 18. Juli ihre österreichische Uraufführung erfährt.
Gemeinsamkeiten sind hier auch betont äußerlich: mit nackten Oberkörpern und rasierten Köpfen ähneln die beiden Tänzer einander wie Zwillinge. Sie hinterfragen die Bedeutung von Geschlecht, Freundschaft und Identität und changieren zwischen Abgrenzung und Verschmelzung. Der titelgebende schwarze Samt ist sowohl eine Anspielung auf ihre schwarzen Haare, die für diese Performance fallen mussten, als auch für den afroamerikanischen Hintergrund der Tänzer. Aber auch das Lichtspiel eines samtigen Stoffes soll sich auf den Körpern der Künstler wiederfinden.
Die Wienerin Karin Pauer ist es gewohnt, sich als Choreografin mit Bewegung in den unterschiedlichsten Kunstformen zu befassen. Sie hat bereits mit Theaterschaffenden, bildenden Künstlern oder Filmemachern zusammengearbeitet. Für ihre diesjährige Impulstanz-Performance hat sie sich jedoch Großes vorgenommen.
In nur 50 Minuten will sie sich five hundred thousand years of movement stellen – so der ambitionierte Titel der Uraufführung – und sich tanzend durch die Geschichte von allem und durch jegliche Zeiträume bewegen. Es wäre wohl kaum ein Ort besser dafür geeignet als der Kinosaal im Mumok. In einem Tanz der kosmischen Evolution stellt sich Pauer am 17. und 19. Juli ihren verschiedenen vergangenen und zukünftigen Persönlichkeiten, verdreht spielerisch Fakten der Geschichte und springt durch die Zeiten.
Eine fiktive Reise zurück tritt auch die schwedische Choreografin Ofelia Jarl Ortega an. Nach ihren beiden Tanzperfomances Shredder und Forever ist B.B. nun ihre dritte Zusammenarbeit mit dem Licht- und Sounddesigner Patrik Patsy Lassbo und der norwegischen Tänzerin Alexandra Tveit. Das angekündigte Prequel ist demnach eine nachgereichte Vorgeschichte zu ihren bisherigen Auseinandersetzungen mit Weiblichkeit und dem Blick darauf. Licht, Musik und Tanz begegnen sich hier auf der gleichen Ebene. Mit der Schwedin ziehen auch Sex und Erotik, gepaart mit leichtem Unbehagen, ins Mumok (Museumsversion am 18. Juli) und ins Kasino am Schwarzenbergplatz (Theaterversion am 20. Juli).
Eine ständige Bewegung wird die dreistündige RollschuhPerformance Us Swerve von Alex Baczynski-Jenkins. Einem unendlichen Popsong gleicht die Rezitation von Verszeilen und Gedichten durch die drei Performer, während diese die Mumok-Hof- stallung befahren. Eine sinnliche Begegnung, in deren Verlauf das Publikum am 23. und 25. Juli kommen und gehen darf, wie es will.
Weniger sinnlich ist der einzige Ansprechpartner des Südkoreaners Jaha Koo. In seiner Performance Cuckoo führt er Gespräche mit Reiskochern und macht so auf ein gesellschaftliches Phänomen Südkoreas aufmerksam: Golibmuwon wird die Einsamkeit und Iso- lation genannt, die durch Leistungsdruck hervorgerufen wird.
Eine existenzielle Angst, um die auch die Performance der Kunstfigur Price kreist. Dahinter verbirgt sich der in Zürich arbeitende Choreograf Mathias Ringgenberg. Sein Solo Where Do You Wanna Go Today wird von einem Grundton begleitet, der die Verunsicherung der Millennials-Generation aufgreift.