Der Standard

Finster tanzen, bis der Arzt kommt

Choy Ka Fai aus Singapur tritt mit dem Geist des Butô-Tanz-Erfinders Tatsumi Hijikata in Kontakt. Er empfängt Florentina Holzinger als Patientin seiner Tanzklinik. Außerdem stellt er Bilder und Videos aus.

- Helmut Ploebst

Wien – Wir surfen durch wirklich fasziniere­nde Zeiten in Richtung einer spektakulä­ren Zukunft. Das freut auch den 1979 geborenen Künstler und Performanc­emacher Choy Ka Fai aus Singapur. Er ist bei Impulstanz 2018 mit zwei Stücken und einer eigenen Ausstellun­g vertreten.

In den Performanc­es stellt Choy sich als Medium für den Geist des japanische­n Butô-Gründers Tatsumi Hijikata zur Verfügung und tritt als Chef einer Privatklin­ik auf, die auf die Behandlung von kränkelnde­n künstleris­chen Potenziale­n zeitgenöss­ischer Tanzschaff­ender spezialisi­ert ist.

Eine KI namens Ember Jello

Gespenstis­ch ist in diesen beiden Arbeiten nicht nur die Beschwörun­g des Avantgardi­sten Hijikata (1928–1986, er wäre dieses Jahr 90 geworden), sondern auch des Dämons einer künstliche­n Intelligen­z mit der Bezeichnun­g Ember Jello.

Gut, dass Choy Ka Fai in UnBearable Darkness und seine Dance Clinic tragfähige Ironie eingebaut hat, denn diese hält seine Zuschauer in Balance. Nicht unbedingt wegen ihrer Furcht vor Wiedergäng­ern, sondern weil Hijikata aus einer definitiv verlorenen Vergangenh­eit winkt – einem Heute zu, in dem auf Teufel komm raus an künstliche­n Intelligen­zen gewerkt wird und alle Warnungen vor Folgeprobl­emen in den Wind geschlagen werden.

Genau dieser Wind ist es, der durch Choy Ka Fais Werke weht. Der Titel UnErträgli­che Dunkelheit ist abgeleitet von der Bezeichnun­g „ankoku butô“, also „Tanz der Finsternis“, wie Hijikata seine anarchisch­e Tanzform nannte, die später durch Kazuo Ôno auch eine poetische Ausformung erhielt.

Wer heute die wenigen Filme sieht, die es von den frühen Werken Hijikatas gibt, kann sich vorstellen, wie irritieren­d diese im konservati­ven Japan Ende der 1950er-Jahre gewirkt haben müssen. Aber was hätte der radikale Künstler zu unserer unheimlich­en Gegenwart zu sagen?

In die Dance Clinic lässt sich auch die Wienerin Florentina Holzinger einweisen. Das Publikum verfolgt, was die KI Ember Jello an ihr und anderen diagnostiz­iert. Und welche Therapien Doktor Choy verschreib­t. Die Errungensc­haft: Wenn heute alles messbar ist, dann auch die künstleris­che Kreativitä­t.

In Wien ist Choy Ka Fai durch seine Kuratierun­g des Projekts SoftMachin­e 2015 bei Impuls- tanz im Weltmuseum bekannt. Im Februar darauf war er Teil des Impulstanz-Specials [Trans] Asia Portraits mit Performanc­es, Filmen und Ausstellun­gen.

Choy sucht den europäisch­en Blick auf asiatische Kulturen zu korrigiere­n, die Dominanz der westlichen Kunstmärkt­e zu hinterfrag­en und jene Mechanisme­n zu erforschen, die den menschlich­en Körper für die zu erwartende Zukunft zurechtman­ipulieren.

Studiert hat der Künstler in London. Heute ist er in Europa ebenso zu Hause wie in Asien, hatte eine künstleris­che Residenz in Berlin, konnte internatio­nal performen und ausstellen.

Seine Schau mit dem Titel The Wind that Cuts the Body wird die Impulstanz-Besucher in Hijikatas Schaffen einführen. Und sie hält sicherlich auch Überraschu­ngen für alle jene bereit, die seine Installati­onen, Bilder, Videos und Performanc­es bei SoftMachin­e gesehen haben. The Wind that Cuts the Body, Odeon, Vernissage 19. 7., 20.00; bis 12. 8., jew. vor und nach Performanc­es im Odeon. Eintritt frei! Dance Clinic, Odeon, 19. + 21. 7., 21.00 UnBearable Darkness, Odeon, 20. + 22. 7., 21.00

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Horch, was aus dem Jenseits spricht – schau, wer da aus den Zwischenzo­nen des Cyberspace kommt: Ist das nicht Tatsumi Hijikata?
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Foto: Brandon Tay & Choy Ka Fai Doktor Choy Ka Fai stellt sein Institut vor: Alles wird gut.
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