Anschluss oder Freiheit
Zweimal politische Erkundungen mit Tanz
Wien – Hashtag-Ökonomie hier, Populismus dort – was Politik und Staat können, scheint heute keiner mehr so genau zu wissen. Zugleich ist der gefilterte, bearbeitete Körper zum Politikum geworden, zum Marktwert sowieso. Zwei Performances bei Impulstanz sind körperlich dem Nationalstaat gewidmet.
In iChoreography – Conversations greifen und das Jahr 1938 und seine Bedeutung für das österreichische Nationalbewusstsein auf. Schauplatz ihrer Performance ist der Wiener Heldenplatz: Hier wurde Adolf Hitler von 200.000 Menschen jubelnd empfangen, der „Anschluss“an Deutschland gefeiert.
Mehrere Performer werden dazu eine bereits bestehende Arbeit der schottischen Künstlerin Susan Philipsz einbinden. Deren Installation The Voices lässt Klänge über den Heldenplatz tönen, die auf Glasrändern erzeugt wurden. Glas, so die Künstlerin, klinge am ehesten wie das menschliche Organ. Es verweise auf die (nach)hallenden Stimmen der Menschenmassen von 1938, vor allem auf diejenigen, die stumm geblieben sind.
Nicht österreichische, sondern französische Staatlichkeit ist Thema von Standards. Das erschließt sich schon aus dem Bühnenbild dieses Stücks von Pierre Rigal: Der Tanzboden ist in drei Flächen geteilt wie die französische Flagge: blau, weiß und rot.
Als Unter- und Hintergrund der sechs Hip-Hop-Tänzer dienen damit auch die Revolutionsmaximen „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, die sich Frankreich sprichwörtlich an seine Fahnen heftet. In Rigals Urban Dance wird gefragt, was diese drei Begriffe heute noch bedeuten – und wie sie über den politisierten Körper ausgedrückt werden können. iChoreography– Conversations, 20.+ 22.7., 18.00, Heldenplatz. Freier Eintritt! Standards, 17. 7., 21.00; 19. 7. 23.00, Kasino am Schwarzenbergplatz