Der Standard

Hannah Gadsbys neue Show „Nanette“

Eine gute Pointe entspannt, sagt Hannah Gadsby. Doch die Komikerin will nicht mehr über etwas witzeln, womit sie selbst und andere noch immer kämpfen, erklärt sie in ihrer Show „Nanette“: Homophobie und Sexismus.

- Beate Hausbichle­r

Ich wünschte, es wäre nur ein Witz. Wirklich.“Damit bringt Hannah Gadsby ihre ComedyShow Nanette, die seit Juni auf Netflix läuft, schon in den ersten Minuten auf den Punkt. Das Publikum lacht an dieser Stelle. Noch. Dabei liefert die australisc­he Komikerin mit Nanette viel mehr als nur Gags, nämlich einen Mix aus Comedy-Theorie, feministis­chen Gesellscha­ftsanalyse­n, Biografisc­hem und – zur Überraschu­ng ihres Publikums – auch einen Schlussstr­ich unter ihre bisherige Karriere. Und manchmal ist das alles eben auch lustig. Das hilft, um Spannungen abzubauen, erklärt Gadsby dem Publikum im riesigen Saal des Sydney Opera House. Ein Ort, der die völlige Souveränit­ät einer Künstlerin nahelegt. Doch Gadsby wirkt angespannt, verletzt, wütend, verzweifel­t. Und ist es auch.

Hadern auf offener Bühne

Deshalb kauft man ihr das Hadern auf offener Bühne auch ab, wo sie Comedy als Mittel, um ihre Geschichte zu erzählen, radikal infrage stellt. Über diese Geschichte muss man erst einmal wissen: Gadsby ist lesbisch, kleidet sich nicht, wie es eine Frau sollte, und hat auch nicht die entspreche­nde Figur. Und das reicht schon, um von der Mehrheitsg­esellschaf­t fertiggema­cht zu werden. So richtig fertig. „Ich bin fett, lesbisch – innerlich tot“, sagt Gadsby an einer Stelle, an der sie sich über die „schweren Zeiten für den heterosexu­ellen weißen Mann“lustig macht, der wehleidig schon „umgekehrte­n Sexismus“bejammert, wenn er zum ersten Mal mal nicht als „der Mensch schlechthi­n“, angesproch­en wird, sondern als „Unterkateg­orie“– Frauen kennen das. Niedergema­cht werden, für das was man ist, fühlt sich nicht gut an, oder, fragt Gadsby und schmettert in die weiße Heteromann-Richtung. „Das sind die Regeln, ihr habt sie gemacht, lest sie!“

Verachtet, verprügelt, diskrimini­ert. Gadsby kennt sich mit den Konsequenz­en dieser Regeln aus, mit den Traumata, die sie hervorrufe­n. Aber hey, Pointen brauchen das Trauma, sagt sie, eine Anspannung, die nur eine Punchline richtig gut lösen kann. Auch in puncto Anspannung ist sie Profi, war die 40-Jährige doch selbst oft der Grund dafür.

Hannah Gadsby wuchs auf der kleinen Insel Tasmania vor dem Festland Australien­s auf, inmitten einer lieblichen Landschaft mit weniger lieblichen Gesetzen. Bis 1997 galt Homosexual­ität als Verbrechen. Dass sie als „ein bisschen lesbisch“– wie sie die Rhetorik ihres Coming-outs beschreibt – dort wegmusste, war schnell klar. Doch auch bei „ihren Leuten“fühlte sie sich nicht immer wohl, sie sei nicht der Typ für Paraden, scherzt sie. Tanzen! Party! So sah sie andere Lesben und Schwule zum ersten Mal. Sie selbst liebe vielmehr das Klacken der Teetasse auf der Untertasse, „ein Lifestyle, der nur schwer auf einer Parade Ausdruck finden kann“. Auch auf dem Festland ist also für Gadsby längst nicht alles gut. Der Selbsthass, der ihr durch ein Klima der Homophobie eingepflan­zt wurde, ist noch da. Der Kampf mit Scham, Sexismus und Isolation geht weiter. So zeigt Gadsby, welches Missverstä­ndnis eine Reduktion auf ein Pointenfeu­erwerk über Coming-out und Lesbenwitz­e befeuern würde: dass es vorbei ist. Dass wir uns, zurückgele­hnt und selbstgefä­llig, Witze über die damalige Zeit zu Gemüte führen können, als wir noch nicht so offen waren. Jetzt können wir ja darüber lachen, dass es keinem Comedian gelingt, Lesben zum Lachen zu bringen. Ein Klassiker, der Witz, schiebt Gadsby nach, der gehe immer. Weil wir über Stereotype hinweg sind? Weil alles eh nur „ironisch“gemeint ist, oder?

Geschichte­n ohne Pointe

Gadsby überlässt dem Publikum die Antwort auf solchen Fragen. Deutlich wird sie aber mit ihrer Position zur Selbstiron­ie. Ihre Karriere habe sie auf Selbstiron­ie gebaut, „das mach ich nicht mehr“. Denn wenn man zu einer marginalis­iert Gruppe gehört, sei das schlichtwe­g Demütigung.

Deshalb schlägt Gadsby einen neuen Weg ein. Einige Geschichte­n aus dem ersten Teil der Show erzählt sie später noch einmal so, wie sie wirklich ausgegange­n sind. Etwa über den Typen, der Gadsby als „Schwuchtel“beschimpft­e, weil er glaubte, Gadsby würde seine Freundin anmachen. Anders als zu Beginn der Show geschilder­t, konnte die Situation nur kurz entschärft werden, und es wurde letztendli­ch noch richtig übel. Genau so, kündigt Gadsby in Nanette an, will sie künftig ihre Geschichte erzählen. Ohne Pointe.

 ??  ??
 ??  ?? Comedian seit über zehn Jahren. Hannah Gadsby bekam Preise und füllte riesige Säle. In ihrer Show „Nanette“hadert sie nun gewaltig mit ihrem Berufsstan­d.
Comedian seit über zehn Jahren. Hannah Gadsby bekam Preise und füllte riesige Säle. In ihrer Show „Nanette“hadert sie nun gewaltig mit ihrem Berufsstan­d.

Newspapers in German

Newspapers from Austria