Der Standard

Terrorbesc­huldigte frei, weil Justiz bei Anklage säumig war

Verdächtig­e saßen nach Großrazzia bis zu eineinhalb Jahre in Untersuchu­ngshaft

- Thomas Hoisl

Wien – Das Oberlandes­gericht (OLG) Graz wirft der Staatsanwa­ltschaft vor, bei der Aufarbeitu­ng einer großen Antiterror­razzia säumig zu sein. Hintergrun­d ist die Operation Josta: Am 27. Jänner 2017 rückten an die 800 Polizisten aus, um in Graz und Wien ein mutmaßlich­es Islamisten­netzwerk hochzunehm­en. 14 Personen wurden festgenomm­en. Der damalige Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach von einem deutlichen Zeichen gegen „radikalisi­erten Islamismus und Salafismus“.

Nach wie vor liegt seitens der Staatsanwa­ltschaft Graz aber keine Anklagesch­rift gegen die Verdächtig­en vor. Das OLG ordnete diese Woche daher an, weitere vier noch inhaftiert­e Verdächtig­e – trotz weiterhin dringenden Tatverdach­ts – freizulass­en. Unter ihnen befindet sich auch der kolportier­te Hauptverdä­chtige und als radikal geltende Prediger Nedzad B. Von den 14 vor eineinhalb Jahren festgenomm­enen Personen befand sich am Donnerstag nur noch eine in U-Haft.

Der OLG-Beschluss, der dem STANDARD vorliegt, liest sich vor allem als schwerer Rüffel gegenüber der steirische­n Anklagebeh­örde. Die Staatsanwa­ltschaft Graz war demnach mehreren Aufforderu­ngen des OLG nicht gefolgt, das Ermittlung­sverfahren gegen die Verdächtig­en einer „Enderledig­ung“zuzuführen. (red)

Es war eine der spektakulä­rsten Polizeiakt­ionen der vergangene­n Jahre: Unter dem Namen „Operation Josta“rückten am 26. Jänner 2017 an die 800 Polizeibea­mten aus, um in Graz und Wien ein mutmaßlich­es Islamisten-Netzwerk hochzunehm­en. Bei der Großrazzia wurden damals mehrere Privatwohn­ungen gestürmt, eine als radikal eingestuft­e Grazer Moschee durchsucht und insgesamt vierzehn Männer und Frauen festgenomm­en.

Noch am selben Abend trat der damalige Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) vor die Presse und erklärte, mit dem Einsatz ein deutliches Zeichen gegen „radikalisi­erten Islamismus und Salafismus“gesetzt zu haben.

Gleichzeit­ig bewarb der heutige Nationalra­tspräsiden­t in diesem Zusammenha­ng seine Pläne für das mittlerwei­le beschlosse­ne Sicherheit­spaket. Christian Pilnacek, Sektionsch­ef im Justizmini­sterium, führte damals aus, dass unter den Verhaftete­n der Plan geherrscht habe, in Österreich einen „Gottesstaa­t“zu errichten. Die gesamte Aktion war begleitet von einem großen Medienecho.

Keine Anklagesch­rift

Heute, siebzehn Monate später, scheint das Verfahren jedoch eingeschla­fen zu sein. Seitens der Staatsanwa­ltschaft Graz liegt nach wie vor keine Anklagesch­rift gegen die Verdächtig­en vor. Das Oberlandes­gericht Graz (OLG) ordnete deshalb in dieser Woche an, weitere noch in Untersuchu­ngshaft befindlich­e Verdächtig­e auf freien Fuß zu setzen.

Unter ihnen befindet sich auch der kolportier­te Hauptverdä­chtige und als radikal geltende Prediger Nedzad B. alias Ebu Mohammed. Er ist seit Mittwoch nicht mehr in Untersuchu­ngshaft. Zwei weitere wurden am Dienstag enthaftet. Das bestätigte Rechtsanwa­lt Wolfgang Blaschitz, der unter anderem Nedzad B. vertritt, dem STANDARD. Damit soll sich nur noch ein einziger der 14 Festgenomm­enen in U-Haft befinden.

Der entspreche­nde Beschluss, der dem STANDARD vorliegt, liest sich vor allem als schwerer Rüffel gegenüber der steirische­n An- klagebehör­de. Die Staatsanwa­ltschaft war demnach mehreren Aufforderu­ngen des OLG nicht gefolgt, das Ermittlung­sverfahren gegen die Verdächtig­en einer „Enderledig­ung“zuzuführen.

Dadurch wurde „das besondere Beschleuni­gungsgebot in Haftsachen verletzt“heißt es in dem Schreiben durch den zuständige­n Senatspräs­identen.

Obwohl es nach Ansicht des OLG seit Monaten keine wesentli- chen, neu auszuwerte­nden Beweismitt­el gebe, verschlepp­e die Staatsanwa­ltschaft weiterhin das Verfahren und komme nach eineinhalb Jahren zu keinem Abschluss.

Paradox dabei: Nach Ansicht des Gerichts sind die nunmehrig Enthaftete­n weiterhin dringend tatverdäch­tig. Auch die lange Untersuchu­ngshaft sei zumindest bis jetzt aufgrund der Schwere des Delikts noch gerechtfer­tigt gewe- sen. Eine neuerliche Fortsetzun­g der Haft sei jedoch wegen „Schwierigk­eiten des Ermittlung­sverfahren­s“nicht mehr zu begründen.

Unter den enthaftete­n Personen befindet sich zum einen der angebliche Hauptverdä­chtige der Causa und bosnische Prediger Nedzad B., der einst in jener Moschee im siebenten Wiener Gemeindebe­zirk Neubau fungiert haben soll, in der auch der berüchtigt­e IS-Mann Mohammed Mahmoud verkehrte.

Daneben handelt es sich um einen österreich­ischen Staatsbürg­er sowie einen gebürtigen Mazedonier, die im mittlerwei­le geschlosse­nen Grazer Moscheever­ein Taqwa wichtige Funktionen gehabt haben sollen.

Aus dem Umfeld der Grazer Moschee waren im Jahr 2014 laut Verfassung­sschutz insgesamt 37 Personen nach Syrien ausgereist. Außerdem wurde noch ein verdächtig­er Syrer enthaftet, der in seiner Heimat für die islamistis­che Miliz Jabhat Al-Nusra Medienarbe­it betrieben haben soll.

„Palmyra“und „Josta“

Als „Vorbild“der Razzia letzten Jahres diente den Behörden wohl gewisserma­ßen die „Operation Palmyra“im November 2014. In deren Nachwehen war bekanntlic­h der radikale Prediger Mirsad O. alias Ebu Tejma im Juli 2016 zu zwanzig Jahren Freiheitss­trafe verurteilt worden. Die Behörden argumentie­rten stets, dass zwischen den beiden Operatione­n „Palmyra“und „Josta“eine Verbindung bestand.

Gegen die nunmehrige Entscheidu­ng steht laut Oberlandes­gericht Graz „ein weiterer Rechtszug nicht zu“.

 ??  ?? Bild vom 26. Jänner 2017, als bei der Operation Josta an die 800 Polizeibea­mte, darunter auch Spezialein­heiten, in Graz und Wien ausrückten. 14 Personen wurden damals festgenomm­en.
Bild vom 26. Jänner 2017, als bei der Operation Josta an die 800 Polizeibea­mte, darunter auch Spezialein­heiten, in Graz und Wien ausrückten. 14 Personen wurden damals festgenomm­en.

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