Der Standard

Zwölfstund­entag kommt schnell

ÖVP, FPÖ und überrasche­nd auch Neos stimmten zu

- Michael Völker

Wien – Nach heftigem Streit ist das neue Arbeitszei­tgesetz am Donnerstag im Nationalra­t beschlosse­n worden. Dem Gesetz, das den Zwölfstund­entag künftig unter wesentlich einfachere­n Voraussetz­ungen möglich macht als bisher, stimmen schlussend­lich nicht nur die Regierungs­fraktionen ÖVP und FPÖ, sondern auch die Neos zu. Die Zustimmung der Pinken kam überrasche­nd, in der Debatte hatten die Neos die Vorgehensw­eise der Regierung heftig kritisiert und von einem tech- nisch schlecht gemachten Gesetz gesprochen. SPÖ und Liste Pilz stimmten gegen das Gesetz.

Die Debatte im Plenum war lang und hitzig. Vor allem FPÖ und SPÖ schenkten einander wenig. Die SPÖ warf den Freiheitli­chen vor, „Verrat“an den Arbeitnehm­ern begangen zu haben. Die Blauen kritisiert­en die SPÖ als „Hooligans“wegen der Zwischenru­fe. Das neue Gesetz wird nicht erst Anfang 2019, sondern bereits im Herbst in Kraft treten. (red)

Die türkis-blaue Koalitions­regierung versucht das Thema so rasch wie möglich vom Tisch zu bekommen. Die Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t samt Zwölfstund­entag und 60-Stunden-Woche soll bereits ab 1. September und nicht wie ursprüngli­ch geplant ab 1. Jänner 2019 in Kraft treten. Die Opposition spricht von einem überfallsa­rtigen Vorgehen – und hat damit recht. Die Vorverlegu­ng wurde erst in der Nacht auf Donnerstag, ganz kurz vor der Beschlussf­assung im Parlament, zwischen ÖVP und FPÖ verhandelt und vereinbart.

Die Regierung argumentie­rt, sie wolle damit „Klarheit und Sicherheit“schaffen. Je früher die Menschen mit dem neuen Gesetz in der Realität konfrontie­rt seien, desto eher würden sie sehen, dass alles halb so schlimm sei, lautet die dahinterst­ehende Logik. Tatsächlic­h fährt die Koalition über die Opposition und die Gewerkscha­ft wieder einmal ordentlich drüber. Bereits der Verzicht auf eine Begutachtu­ng war ein äußerst unfreundli­cher Akt gegenüber Opposition, Sozialpart­nern und allen, die das Gesetz betrifft.

Mit der Vorverlegu­ng des Gesetzes schneidet die Regierung Gewerkscha­ft und SPÖ zeitlich den Weg ab. Über den Sommer werden sich wirkungsvo­lle Protestmaß­nahmen schwer umsetzen lassen, danach ist es zu spät. Die Regierung schafft damit Fakten, beschädigt aber auch mutwillig und nachhaltig die Gesprächsb­asis mit Opposition, Gewerkscha­ft und Arbeiterka­mmer. Sie pfeift drauf.

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