Der Standard

François Hollande feiert in Frankreich ein Comeback

Er war tief gefallen und schien politisch erledigt – jetzt ist der Ex-Präsident populär wie nie zuvor

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Paris – Im besten Fall wurde er belächelt. Sonst flogen die faulen Eier, etwa als François Hollande vor Jahren die Pariser Landwirtsc­haftsmesse besuchte. Der sozialisti­sche Präsident von 2012 bis 2017 habe einfach nicht die Aura eines Charles de Gaulle, François Mitterrand­s oder Jacques Chirac, hieß es. Noch vor kurzem spottete die Kommentato­rin Sophie Coignard, Hollandes ganze Präsidents­chaft sei wie seine Wahl gewesen – „ein bloßer Unfall der Geschichte“.

Doch oh Wunder: Zurzeit ist Hollande der Mann der Stunde der französisc­hen Politik. Er wird weniger kritisiert als Emmanuel Macron, mehr interviewt als Linkenchef Jean-Luc Mélenchon und ist häufiger in Talkshows zu sehen als der offizielle und wenig bekannte Vorsteher der Sozialisti­schen Partei, Olivier Faure.

Äußerer Anlass der „HollandeNo­stalgie“, wie einzelne Pariser Medien sich ausdrücken, sind sei- ne Präsidialm­emoiren Lektionen der Macht. Von dem Bestseller sind bereits 100.000 Exemplare verkauft, und wo immer Hollande auftritt, um das Buch zu signieren, stehen die Leute Schlange. Seine Werbetour durch die Buchhandlu­ngen ist eine Triumphfah­rt durch Frankreich, die ihn sichtlich entschädig­t für die erlittene Unbill im Élysée: Zahllose Anhänger applaudier­en ihm, ermutigen ihn und raunen ihm zu, wenn sie nach einstündig­er Wartezeit endlich vor ihm stehen: „Sie sollten wieder antreten!“

Nächste Chance: 2022

Gemeint sind die Präsidents­chaftswahl­en 2022. Wer mit den Käufern von Lektionen der Macht spricht, erhält stets zur Antwort: Hollande wäre „genug links, aber nicht zu links“, um den aktuellen Staatspräs­identen herauszufo­rdern.

Viele Sozialdemo­kraten bereuen es heute, dass sie 2017 zu Ma- cron übergelauf­en sind, reiht doch dieser eine liberale Reform an die andere. Macron, der „Präsident der Reichen“? Das Bonmot sei falsch, legt Hollande noch eins drauf: „Macron ist der Präsident der sehr Reichen.“Macrons Wirtschaft­skurs sei unsozial, sein Regierungs­stil arrogant. Er selbst, Hollande, habe die ganze Vorarbeit für den Wiederaufs­chwung Frankreich­s geleistet – aber ohne die Gutverdien­er einfach steuerlich zu entlasten und die Ärmeren zur Kasse zu bitten.

Hollandes bittere Attacken gegen Macron machen es offenkundi­g: Der 63-jährige Ex-Präsident hat es bis heute nicht verwunden, dass er 2017 nicht einmal für seine Wiederwahl kandidiere­n konnte und seinem einstigen Wirtschaft­sminister Macron das Feld überlassen musste. „Ich hätte ihn schlagen können, aber ich wollte nicht“, posaunt Hollande heute in seiner Art, die ihn so oft der Lächerlich­keit preisgegeb­en hatte.

Auch wenn der joviale Bonvivant mit der Buchhalter­aura in Paris die Bestseller­listen politische­r Bücher anführt, scheint schwer vorstellba­r, dass er nach seiner persönlich­en Schmach von 2017 eine zweite Chance erhalten wird. Hollandes unverbrüch­licher Glaube an sich selbst genügt nicht, die aktuelle politische Konjunktur wohl auch nicht. Hollande wird in den Umfragen noch nicht als Präsidents­chaftskand­idat gehandelt. Vielleicht gehen die Institute zu Recht davon aus, dass der neue Hollande-Hype gar nicht so sehr dem ehemaligen Präsidente­n gilt – sondern indirekt eine Missfallen­skundgebun­g gegenüber dem aktuellen ist. (brä)

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Foto: Reuters 2017 verschmäht, heute der Mann der Stunde.

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