Der Standard

Fluchtrout­en, Schlepper und Lebensrett­er

In der NS-Zeit flohen viele Österreich­er über illegale Routen etwa in die Schweiz

-

Juden, die vor den Nazis aus Österreich flohen, blieb nach 1941 nur mehr die illegale Flucht und – nach der Abschottun­gspolitik, die etwa die Schweiz verfolgte, auch nur illegale Einreisen.

„Die Schweiz hat sich selbst Jahrhunder­te lang als Zufluchtso­rt für politische und religiöse Flüchtling­e gesehen. Das war eine Tradition, auf die sie zu Recht stolz war“, sagt Zeithistor­ikerin Eleonore Lappin-Eppel. In der NSZeit änderte sich das dramatisch. Nach dem so genanten Anschluss Österreich­s im März 1938 führte die Schweiz die Visumspfli­cht für Österreich­er ein und ab August wurden Flüchtling­e, die es über die Grenze geschafft hatten, gnadenlos wieder nach Österreich abgeschobe­n.

Eine der Fluchtrout­en aus Österreich verlief etwa zwischen dem Vorarlberg­er Montafon und dem Schweizer Prättigau. Fluchthelf­er oder Passeure, wie sie hier heißen, waren oft ortskundig­e Einheimisc­he, die die Fluchthilf­e als Gelegenhei­tsjobs wahrnahmen. Manche halfen gegen ein Honorar, andere aus Überzeugun­g. Lebensrett­er waren sie, wenn die Flucht gelang, allesamt. Einzelne weigerten sich, die Anti-Flüchtling­spolitik mitzumache­n. Der posthum bekanntest­e war Paul Grüninger. Der Kommandant der Kantonspol­izei St. Gallen ermöglicht­e vielen hunderten Juden die Flucht, wurde dafür entlassen und starb 1972 verarmt.

Auf Betreiben des Historiker­s Stefan Keller wurde er rehabiliti­ert. 2004 wurde in der Schweiz ein Gesetz für die Aufhebung von Strafurtei­len gegen Fluchthelf­er beschlosse­n. Laut Keller sollte so demonstrie­rt werden, „dass nicht die Fluchthelf­er ungesetzli­ch waren, sondern, dass Gesetze, die fliehende Menschen in den Tod schicken, jeder Vorstellun­g von Recht widersprec­hen.“(cms)

Newspapers in German

Newspapers from Austria