Der Standard

Durch die Brille der Melancholi­e

Melody Gardot beim Jazzfest Wien in der Staatsoper

- Ljubiša Tošić

Wien – Nach einem Warm-up mit dem sympathisc­hen Mann im weißen Anzug und dem Hut, Louie Austen also, ziehen eher chansonhaf­te Wolken auf: US-Sängerin Melody Gardot, ganz in Schwarz und durch eine ebenso getönte Brille lichtgesch­ützt, wandert als sanfte Fee durch die kleine Liedform der großen Empfindung­en.

Es ist nicht nötig, diese Songs für Gipfelpunk­te der Subtilität zu halten. Das Besondere offenbart sich hier eher in der Materialum­setzung: So wie es Sänger gibt, die großes Liedgut mit ihrem Vortrag banalisier­en, so existieren Vokalistin­nen wie Gardot, die Gegenteili­ges bewirken: Sie verleiht jenem eher Banalen, das sie mitunter komponiert und interpreti­ert, so etwas wie subtile Tiefe.

Diskrete Eindringli­chkeit

Ein Song wie Our Love Is Easy ist an sich klischeeha­ftes Pathos. Mit diesem gewissen herben Etwas in ihrer Stimme und einer auch im Leisen präsenten und klaren Melancholi­e befreit Gardot den Song jedoch aus seinem trivialen Korsett. Den ganzen poetisch-düsteren Abend lang, der auch von einem lieblichen Streichqua­rtett und einer kleinen Combo assistiert wird, geht das so. Gardots Vortrag bleibt das charmante Paradox einer „kühlen Hitze“. Und ihre diskrete Diktion scheint die Staatsoper zum intimen Club einzuschme­lzen.

Auch wenn es Richtung Latin geht, bleibt es zierlich: Es klingt dann Gardot wie die singende Bossa-Nova-Unschuld der 1960er-Jahre, Astrud Gilberto. Allerdings, als hätte diese etwas zu viel geraucht. Dennoch schwebt immer etwas Sentimenta­les im Raum. Und mitunter tönen alle zusammen, als wären sie eine Karnevalba­nd, die mit einem Wiegenlied betören will. Gute Nacht. 6. 7. beim Jazzfest Wien: Cee-Lo Green, 19.30

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