Corrida der Könner vielleicht ohne den Matador
Frankreich, das wohl talentierteste Team der WM, trifft heute (16, ORF 1) im Viertelfinale auf Uruguay, den Inbegriff einer Mannschaft. Die Celeste fürchtet eher den Ausfall von Cavani denn Frankreichs Jungstar Mbappé.
Einer der größten Fans Uruguays sitzt heute Nachmittag nicht auf der Tribüne des Stadions Nischni Nowgorod oder daheim vor dem Fernseher – er stürmt gegen die Celeste, die Mannschaft Uruguays. „Ich fühle mich fast wie ein Uruguayer, ich himmle die Nationalität an, ich himmle die Leute an“, sagte Antoine Griezmann vor dem neunten Treffen der beiden Mannschaften. Die Einstellung zum Fußball, das Lebensgefühl, seine eigene Vorliebe für Mate-Tee – mit all dem begründet der 27-Jährige seine „Amour fou“(L’Équipe).
Uruguays Kapitän Diego Godin ist nicht nur Griezmanns Teamkollege bei Atlético Madrid, sondern auch einer seiner besten Freunde. Diese Zuneigung kann Luis Suárez nicht nachvollziehen. „Er weiß nicht wirklich, was es bedeutet, Uruguayer zu sein“, sagte der Rekordtorschütze der Südamerikaner, genervt durch die Schwärmereien des Franzosen. Griezmann, als Sohn einer Portugiesin und eines Deutschen in Lyon geboren, wisse schließlich nichts darüber, welche Opfer man als Kind bringen müsse, um im Fußball erfolgreich zu sein – und welche Anstrengung und Hingabe nötig seien, um in diesem Sport mit einer so kleinen Bevölkerung zu triumphieren.
Um gegen Frankreich zu reüssieren, wird Uruguay vielleicht noch mehr Hingabe als sonst zu zeigen haben. Es ist schließlich möglich, dass Suárez’ kongenialer Sturmpartner Edison Cavani wegen seiner im Achtelfinale gegen Portugal erlittenen Wadenblessur nicht von Beginn an mitspielen kann. Das wäre insofern bitter, als „El Matador“nicht nur vor dem Tor brilliert, sondern auch aushilft, wo Not am Mann ist. „Uruguay ist ohne Cavani nicht dasselbe“, sagte Juves Blaise Matuidi, der seinerseits Frankreich wegen einer Sperre fehlt.
Suárez widerspricht allerdings auch Matuidi: „Wir hängen nicht von einem Spieler ab, sondern von der kollektiven Arbeit auf dem Platz.“Tatsächlich imponierte die Celeste von Óscar Tabárez in Russland vor allem als Kollektiv, mit einem kreativen Mittelfeld hinter zwei Ausnahmestürmern und der vielleicht besten Defensive der WM, organisiert von Griezmanns Freund Godin und abgesichert von Goalie Fernando Muslera, der bei dieser Endrunde noch kein Tor aus dem Spiel heraus und insgesamt erst einen Treffer hinnehmen musste.
Das fünfte torlose Remis zwischen Les Bleus und der Celeste wäre nach regulärer Spielzeit keine Überraschung – oder doch. Denn neben Suárez, dem noch ein Treffer zum nationalen WM-Rekord von Óscar Míguez, einem Weltmeister von 1950, fehlt, liegt das Augenmerk vor allem auf Kylian Mbappé, auf dem Jungstar der Franzosen, der Argentinien fast im Alleingang eliminierte. „Die Welt zu seinen Füßen“, titelte L’Équipe nach dem 4:3 im Achtelfinale. Den 19-Jährigen, der sein Zimmer mit Bildern von Cristiano Ronaldo geschmückt hatte, nennt Suárez einen „sehr guten Spieler“, prophezeit ihm aber ein Schicksal, wie es dessen Jugendidol Ronaldo gegen Uruguay ereilte: „Wir haben eine gute Defensive, die ihn unter Kontrolle halten wird.“
Griezmann, der Wahl-Uruguayer, zeigte bei der WM noch nicht den EM-Schützenkönig, wird aber von Coach Didier Deschamps erneut aufgeboten werden. In Abwesenheit von Matuidi könnte es sogar zu einem Dreiersturm mit Mbappé, Griezmann und Olivier Giroud kommen.
Für Deschamps geht es darum, erstmals seit der Finalniederlage 2006 gegen Italien, die er als Kapitän mit erlitt, wieder ins Halbfinale einer Weltmeisterschaft vorzustoßen. Vor vier Jahren in Brasilien kam das Aus im Viertelfinale gegen den späteren Champion Deutschland. Es war Deschamps bisher einzige Niederlage in 15 WM-Einsätzen als Spieler und Trainer. (sid, APA, lü)