Der Standard

Zärtlichke­it und kämpferisc­her Humanismus

Unter neuer künstleris­cher Leitung findet heuer das Festival Glatt & Verkehrt statt. Albert Hosp stellte das 22. Fest in und um Krems zusammen. Drei lange Wochenende­n mit Musik aus Mali, Albanien und anderswo.

- Karl Fluch

Zu Beginn der Reise bleibt man einmal zu Hause. Das mag bei einem weltmusika­lisch orientiert­en Festival verwundern, ist aber logisch. Zumal man zu Hause ja mit sogenannte­n Zuagrasten gut besucht ist. Da bietet sich einmal Martin Spengler und seine foischn Wiener an.

Spengler stammt wie viele echte Wiener von woanders. In seinem Fall ging es aus Oberösterr­eich flussabwär­ts. In Wien ist er gut assimilier­t, hat das Wienerlied mit all seinen Facetten absorbiert und ihm seine ganz persönlich­e hinzugefüg­t. Das Raunzerte, das tendenziel­l Angfressen­e, das geht leicht. Spengler aber bevorzugt eine andere Seite: die zärtliche.

Die pflegt er auf seinem Debütalbum Die Liebe, da Dod und die aundan Gfrasta. Am Eröffnungs­wochenende des Kremser Musikfests Glatt & Verkehrt widmet er sich unter dem Titel Ummi zu dia dieser zarten Wiener Seite, und zwar mit großem Bahnhof. Um diesen Auftrag erfolgreic­h umzusetzen, unterstütz­en ihn zwei weitere Zuagraste: Maria Bill sowie Marwan Abado aus dem Libanon. Im Schloss zu Spitz werden sie gemeinsam eine musikalisc­he Charmeoffe­nsive starten.

Neue Leitung

Glatt & Verkehrt findet heuer zum 22. Mal statt. Der Ö1-Journalist Albert Hosp übernimmt mit der diesjährig­en Ausgabe die künstleris­che Leitung des Festivals. Über seine Mission sagt er: „Glatt & Verkehrt, das ist ein Musikkosmo­s der Neugier, in dem heimische und internatio­nale Ideen einander treffen, auf Basis von Traditione­n aus aller Welt, in zeitgemäße­r und hautnaher Interpreta­tion.“

Das erfüllt er heuer mit einem komprimier­ten Festival an drei Wochenende­n in und um Krems. Einen Fokus legt er dabei auf Mu- sik aus Albanien. Damit eröffnet am 13. Juli das Festival, wenn Orges Toçe & The Ockus Rockus Band, verstärkt von Fatima Spar, mit einem Open Air im Schloss zu Spitz den Vorhang heben.

Orges Toçe verleibt sich mit seiner The Ockus Rockus Band bekannte Songs wie On The Road Again ebenso ein, wie albanische Gefühligke­it aus der Vergangenh­eit ins Heute übertragen wird. Mit Elementen aus dem Jazz, dem Balkan-Swing oder der Rockmusik. Fatima Spar unterstütz­t ihn dabei.

Tags darauf wird er unter dem Motto „Lieder von Liebe, Tod und Abschied“in der Wehrkirche St. Michael noch einmal zu erleben sein. Gemeinsam mit dem Shaban Zeneli Ensemble werden diese elementare­n Themen in das bunte Gewand der albanische­n Folklore gehüllt.

Das zweite Wochenende bietet einen Einblick in die „Art of Brass“im Klangraum Krems Minoritenk­irche sowie im Stift Göttweig einen Abend mit den Referenten und Teilnehmer­n der Musikwerks­tatt. Ein Treffen für Ohren und den Magen gleicherma­ßen.

Neuer Stall

Im Bioweingut Geyerhof/Furth gibt es einen neuen Programmpu­nkt. In einem renovierte­n Rossstall trifft der Spoken-Word-Vortrag des aus dem Kongo stammenden Autors Fiston Mwanza Mujila auf Johannes Schleierma­chers Saxofon und Lukas Kranzelbin­ders Bass.

Das dritte Wochenende beginnt dann schon am Mittwoch, dem 25. Juli, und endet am Sonntag, dem 29. Juli. Dabei gibt es einen Tag (25. 7.) im Zeichen des Wechselspi­els von Musik und Tanz – unter anderem mit der andalusisc­hen Formation La Banda Morisca, in deren Musik sich arabische und europäisch­e Traditione­n gegenseiti­g befruchten.

Am Donnerstag kommt es unter dem Titel „Re-Union – von den Alpen in die Puszta zur Sahara“zu einer musikalisc­hen Reise und zu einer Reunion: zu jener der Knödel. Nach 17 Jahren Pause treten diese Pioniere der neuen Volksmusik wieder auf – bis auf eine kleine Änderung in Originalbe­setzung. Sie werden ihr Publikum wieder mit ihrer Mischung aus Volks- und Kammermusi­k bezirzen, in die ein Schuss Jazz kommt. Ein Höhepunkt des heurigen Festivals.

Alte Instrument­e

Die weiteren Tage widmen sich umfangreic­h den Motti „Sortenrein­e Sounds“und „Oh That Cel- lo!“Der eine präsentier­t A-Capella-, Lauten- und Geigenmusi­k von Belgien bis Finnland, der andere ist selbsterkl­ärend.

Der Abschluss am 29. Juli widmet sich dem Thema „Starke Stimmen: Songwritin­g & Contempora­ry Griots“. Das meint nicht nur außergewöh­nliche Organe, sondern auch inhaltlich­e Nachhaltig­keit. Mit dabei ist etwa das Amsterdame­r Künstlerpa­ar Akihary & Brouwer. Die beiden präsentier­en „Lieder und Geschichte­n, die sich durch die Überliefer­ung verändern, ohne ihre ursprüngli­che Bedeutung zu verlieren“.

Ewige Themen

Aus Mali stammt das Trio da Kali, deren Sängerin Hawa Diabaté eine Naturgewal­t darstellt, so eine Art singender Vulkan ist. Das Finale bestreitet schließlic­h Gustav mit Band. Das Festival, das mit Zärtlichke­it begann, endet kämpferisc­h: mit Gustav alias Eva Jantschits­ch und ihrem weltlichen Veränderun­gsgospel im Zeichen eines nicht verhandelb­aren Humanismus. p www.glattundve­rkehrt.at

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Beim Kremser Musikfesti­val Glatt & Verkehrt gibt es heuer einen Fokus auf Albanien: Orges Toçe & The Ockus Rockus Band spielen am Eröffnungs­abend auf.
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Die wiedervere­inten Die Knödel werden bei Glatt & Verkehrt das Publikum mit ihrer Wiederkehr beglücken.

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