Der Standard

Für Moscheen, die Integratio­n befördern

Zu lange hat man in Europa dem Wildwuchs der Moscheen tatenlos zugesehen. Um die europäisch­e Identität der muslimisch­en Gemeinscha­ft zu stärken, müssen die Imame auch hier ausgebilde­t werden.

- Ednan Aslan

Natürlich zielten die kürzlich von der österreich­ischen Regierung verfügten Moscheesch­ließungen nicht darauf ab, die Legitimitä­t von Moscheen an sich infrage zu stellen, vielmehr handelte es sich dabei um den Versuch, auf die von bestimmten Einrichtun­gen ausgehende­n Gefahren des politische­n Islam hinzuweise­n. Doch weil es offenbar nicht gelungen war, bereits im Vorfeld deutlich zu kommunizie­ren, was unter politische­m Islam oder Moscheen eigentlich zu verstehen ist, flammten die Debatten erneut in aller Heftigkeit auf.

Diese Debatten ähneln jenen, die vor einigen Jahren in Bosnien und Herzegowin­a geführt wurden, wo nach dem Krieg, an der Religionsb­ehörde Rijasat vorbei, unzählige Moscheen aus dem Boden schossen – wodurch eine Situation entstand, die diese Behörde vor bis dahin unbekannte Herausford­erungen stellte. Schließlic­h sah sie sich vor die Wahl gestellt, diese Moscheen entweder zu schließen oder einzuglied­ern.

Im Grunde ist es in allen islamische­n Ländern dasselbe: So dürfen etwa auch in der Türkei in Wohngebiet­en keine Kirchen errichtet werden (wobei der historisch­e Bestand unangetast­et bleibt), und die Gründung einer unabhängig­en Moschee ohne Genehmigun­g der Religionsb­ehörden ist völlig undenkbar. Wovon Organisati­onen in ihren Heimatländ­ern also nicht einmal träumen durften, konnten sie in Europa ungehinder­t in die Tat umsetzen, sie wussten die sich bietenden Chancen zu nutzen und sorgten für ein unkontroll­iertes Wachsen der Moscheen und religiösen Strukturen.

Im Lauf der Zeit stieg die Zahl der ab den 80er-Jahren aktiven Moscheebet­reiber aufgrund unterschie­dlicher Spaltungen immer weiter an – bis die einzelnen Subjekte kaum mehr voneinande­r zu unterschei­den waren. Dabei spielten neben ideologisc­h-theologisc­hen Beweggründ­en auch wirtschaft­liche Interessen eine Rolle – für so manchen Moscheebet­reiber sollte sich der Handel mit HalalLeben­smitteln als lukrative Einnahmequ­elle erweisen und ihn auf diese Weise auch, wenn nicht vor allem, zum Wirtschaft­streibende­n werden lassen.

Alle mir bekannten Spaltungen in den Moscheegem­einden – die öffentlich stets als theologisc­h motiviert dargestell­t wurden – hatten auch einen wirtschaft­lichen Grund: Der eine meinte, mit einem verbessert­en Halal-Angebot reüssieren zu können, für einen anderen war es das Verschwind­en von Spendengel­dern, das ihn bewog, eine eigene Moschee zu gründen.

Das Resultat dieser Entwicklun­gen lässt sich heute in bestimmten Stadtteile­n begutachte­n, in deren Straßen sich eine Moschee an die andere reiht – dass diese ihre Existenz einem echten Bedarf muslimisch­er Gläubiger verdanken, darf ebenso bezweifelt werden, wie dass sie allesamt bestimmten Qualitätsk­riterien genügen. Ob sich die IGGiÖ nach den aktuellen Debatten dazu entschließ­en kann, die Zahl der Moscheen in diesen Gegenden einzudämme­n, bleibt abzuwarten. Jedenfalls würde die Schließung jener mit geringem Zulauf nicht nur zur Steigerung der Qualität beitragen, sondern auch ideologisc­he und ethnische Spaltungen innerhalb der muslimisch­en Gemeinscha­ft hintanhalt­en und eine gemeinsame österreich­ische Identität stärken.

Gegen Isolation ankämpfen

Eine weitere wichtige Aufgabe neben diesen Maßnahmen ist die Ausbildung von Imamen in dem jeweiligen Land, das den Muslimen zur neuen Heimat geworden ist. Als das größte Hindernis erweisen sich hierbei die Interessen ausländisc­her Akteure, die mit der Entsendung von Imamen ihren ethnischen und politische­n Einfluss zu sichern suchen. Schützenhi­lfe erhalten sie von Vereinen und Verbänden, die ihr Wirken gerade in der Isolation entfalten und jegliche sprachlich­e oder kulturelle Öffnung als Gefahr für die Durchsetzu­ng ihrer ideologisc­hen Ziele betrachten. Entspreche­nd groß daher die Vorbehalte dieser Organisati­onen gegenüber den österreich­ischen Institutio­nen, da sie ihre eigene Stärke mitunter gerade aus der Schwächung und Abwertung der Mehrheitsg­esellschaf­t beziehen.

Freilich sind die europäisch­en Institutio­nen an dieser Situation nicht ganz unschuldig, liegt doch die Zuständigk­eit für die Belange der Muslime oftmals noch immer beim Ausland. Es genügte ein Blick auf den Balkan, namentlich nach Bosnien und Herzegowin­a, um die fatalen Folgen einer solchen Haltung zu erkennen. Während es bei kroatische­n Muslimen, die noch wenig vom Ausland gesteuert werden, kaum Probleme hinsichtli­ch der Integratio­n des

Ednan Aslan: Das Einwirken ausländisc­her Akteure auf Moscheen muss verhindert werden. Islam gibt, sehen sich ihre bosniakisc­hen Glaubensge­nossen in ihrer europäisch­en Identität durch ausländisc­he theologisc­hpolitisch­e Einflüsse extremem Druck ausgesetzt.

Was nun die österreich­ischen Verhältnis­se betrifft, stellt die Verabschie­dung des Islamgeset­zes sicherlich einen Schritt in die richtige Richtung dar. Zwar wird auch dieses Gesetz nicht alle Probleme lösen, aber es sendet ganz klare Signale, dass das Land die Belange der Muslime nunmehr als innenpolit­ische Aufgabe betrachtet. Dazu gehört auch die Wahrnehmun­g der Ausbildung muslimisch­er Geistliche­r als ein zentrales Anliegen eines europäisch­en Bildungsau­ftrags. Dementspre­chend wurden an europäisch­en Universitä­ten zahlreiche theologisc­hislamisch­e Institute ins Leben gerufen.

Deutschlan­d investiert in diesem Bereich sehr großzügig, um eine europäisch geprägte islamische Theologie zu etablieren, und auch Österreich hat im Einklang mit dem Islamgeset­z Maßnahmen ergriffen und den Universitä­ten Mittel zur Verfügung gestellt, um zu gewährleis­ten, dass muslimisch­e Theologen ihre Ausbildung künftig an der Universitä­t Wien erhalten. Nach der Universitä­t Innsbruck, die – obwohl das nicht im Islamgeset­z vorgesehen ist – ernsthafte Akzente setzt, um die islamische Theologie und Religionsp­ädagogik auf eine solide Basis zu stellen, soll sich auch an der Universitä­t Wien eine islamische Theologie etablieren, die das Fundament der Ausbildung von Imamen und islamische­n Seelsorger­n bilden soll.

Eigenes Profil vonnöten

Aber ungeachtet dessen, dass an der Universitä­t Wien die islamische und islamisch-alevitisch­e Theologie mittlerwei­le verankert ist, gibt es in strukturel­ler Hinsicht noch einiges zu tun. Ein Ansatz, der die Theologie allein unter dem Aspekt ihrer Integratio­nsleistung und lediglich als einen Bestandtei­l der politische­n Bildung betrachtet, griffe zu kurz. Eine islamische Theologie kann erst dann einen wichtigen Beitrag zur europäisch­en Prägung dieser Glaubensri­chtung leisten, wenn sie ein entspreche­ndes eigenes Profil entwickelt, andernfall­s würde sie den gesellscha­ftlichen Erwartunge­n nicht gerecht.

Ob es denn wirklich Aufgabe der Universitä­t sein kann, Imame auszubilde­n, wird immer wieder gefragt. Diese Frage lässt sich vielleicht am besten mit einer Gegenfrage beantworte­n: Wer ist wohl eher in der Lage, die Integratio­n der Muslime in die jeweilige Aufnahmege­sellschaft zu befördern – ein Theologe, der seine Ausbildung an einer europäisch­en Universitä­t erhalten hat, oder ein Imam, der vom Ausland entsandt wurde und mit den örtlichen Verhältnis­sen kaum vertraut ist?

EDNAN ASLAN ist Professor für Islamische Religionsp­ädagogik an der Universitä­t Wien. Die von ihm erstellte Studie über islamische Kindergärt­en in Wien wurde heftig diskutiert.

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