Bachmannpreis an Tanja Maljartschuk
Die gebürtige Ukrainerin Tanja Maljartschuk erhielt bei den 42. Tagen der deutschsprachigen Literatur den Hauptpreis. Raphaela Edelbauer errang den Publikumspreis.
Die große Bühne mit Videowand und Biertischen steht nicht wegen des Bachmannpreises auf dem Neuen Platz in Klagenfurt. Dabei war das eine halbe Stunde dauernde Abstimmungsprozedere, in dem die Sieger der 42. Tage der deutschsprachigen Literatur ermittelt wurden, nicht weniger nervenaufreibend als ein Elfmeterschießen. Das Ergebnis fiel dennoch recht erwartbar aus.
Der Hauptpreis (25.000 Euro) ging an Tanja Maljartschuk für Frösche im Meer. Hauptfigur in diesem Text ist der illegal nach Österreich eingewanderte Petro, der sich mit einer demenzkranken Frau anfreundet. Die 35-jährige Maljartschuk – die Ukrainerin lebt seit 2011 in Wien – verbindet so aktuelle Themen wie Integration und Pflege. Erst seit 2014 schreibt sie auf Deutsch, nach Klagenfurt eingeladen wurde sie von Juror und Standard- Redakteur Stefan Gmünder.
Damit ist Maljartschuk die nächste in einer Reihe von Bachmannpreis-Gewinnern, die entweder Deutsch nicht als Mutter- sprache sprechen oder nicht aus der Prosa kommen: zuletzt Dramatiker Ferdinand Schmalz, davor die englischsprachige Sharon Dodua Otoo, davor Lyrikerin Nora Gomringer und davor Tex Rubinowitz.
Dass Maljartschuk weit vorn landen würde, war nach der einhellig bejubelten Lesung klar. Der Beitrag ist aber so konventionell gebaut, dass die Entscheidung ein biederer Beigeschmack begleitet. Andererseits entspricht der Text den Forderungen der Eröffnungsrede Feridun Zaimoglus am besten. Der hatte am Mittwoch gegen Frauen-, Fremden- und Armenhasser gewettert. Natürlich fand man beim Wettlesen nur politisch korrekte Autoren. Allerdings mit Texten, die brenzlige Themen zum Zerfall der Gesellschaft nur über die Bande spielten, also etwa per Rückgriff: auf die Situation der Frau im 20. Jahrhundert, Freiheitskämpfer aus den 1960ern, die Nazizeit und rechtsradikale Brandanschläge vor 25 Jahren.
Özlem Özgül Dündar erhielt mit und ich brenne, einer Collage aus inneren Monologen von vier Müttern, den Kelag-Preis (10.000 Euro). Mit Das Loch, einem Text über Erinnerungskultur in Österreich, gewann die in der Jurywertung zunächst noch ganz vorn gelegene 28-jährige Wienerin Raphaela Edelbauer den Publikumspreis. Damit verbunden ist der Posten als Klagenfurter Stadtschreiberin (5000 Euro).
Die anderen prämierten Texte waren nicht dezidiert politisch. Der deutsche Bov Bjerg, der prominenteste Name im Bewerb, galt als Favorit und wurde mit seiner Vater-Sohn-Geschichte Serpentinen Zweiter (12.500 Euro). Den 3sat-Preis erhielt überraschend die junge Schweizerin Anna Stern mit Warten auf Ava, einem Text über eine Schwangere im Koma (7500 Euro).
Juryvorsitzender Hubert Winkels war zufrieden mit der Qualität der Texte. Experimentelle Texte seien mittlerweile gut gebauten gewichen. Es störte ihn anderes: In seiner Abschlussrede nahm er Bezug auf Daniel Kehlmann und Marlene Streeruwitz, die vorab im STANDARD ihre Kritik am Bachmannpreis kundtaten. „So schön bizarr“fand Winkels die Argumentation, dass er daraus zitierte. Kehlmanns Vorwurf, die Jury sei ein „Tribunal“, konterte er, dass diese sich zivilisiert hätte.
Zum STANDARD sagt Winkels dann, die Kritik hätte ja „einen richtigen Kern. Man kann schon sagen, eine so individuelle Ausdruckskunst wie die Literatur darf nicht in die Muster des Vergleichs gezwungen werden. Aber auf der anderen Seite gibt es eine lange Geschichte der Begegnung von Autoren in Wettbewerben, etwa bei den Meistersingern.“