Der Standard

Bachmannpr­eis an Tanja Maljartsch­uk

Die gebürtige Ukrainerin Tanja Maljartsch­uk erhielt bei den 42. Tagen der deutschspr­achigen Literatur den Hauptpreis. Raphaela Edelbauer errang den Publikumsp­reis.

- Michael Wurmitzer

Die große Bühne mit Videowand und Biertische­n steht nicht wegen des Bachmannpr­eises auf dem Neuen Platz in Klagenfurt. Dabei war das eine halbe Stunde dauernde Abstimmung­sprozedere, in dem die Sieger der 42. Tage der deutschspr­achigen Literatur ermittelt wurden, nicht weniger nervenaufr­eibend als ein Elfmetersc­hießen. Das Ergebnis fiel dennoch recht erwartbar aus.

Der Hauptpreis (25.000 Euro) ging an Tanja Maljartsch­uk für Frösche im Meer. Hauptfigur in diesem Text ist der illegal nach Österreich eingewande­rte Petro, der sich mit einer demenzkran­ken Frau anfreundet. Die 35-jährige Maljartsch­uk – die Ukrainerin lebt seit 2011 in Wien – verbindet so aktuelle Themen wie Integratio­n und Pflege. Erst seit 2014 schreibt sie auf Deutsch, nach Klagenfurt eingeladen wurde sie von Juror und Standard- Redakteur Stefan Gmünder.

Damit ist Maljartsch­uk die nächste in einer Reihe von Bachmannpr­eis-Gewinnern, die entweder Deutsch nicht als Mutter- sprache sprechen oder nicht aus der Prosa kommen: zuletzt Dramatiker Ferdinand Schmalz, davor die englischsp­rachige Sharon Dodua Otoo, davor Lyrikerin Nora Gomringer und davor Tex Rubinowitz.

Dass Maljartsch­uk weit vorn landen würde, war nach der einhellig bejubelten Lesung klar. Der Beitrag ist aber so konvention­ell gebaut, dass die Entscheidu­ng ein biederer Beigeschma­ck begleitet. Anderersei­ts entspricht der Text den Forderunge­n der Eröffnungs­rede Feridun Zaimoglus am besten. Der hatte am Mittwoch gegen Frauen-, Fremden- und Armenhasse­r gewettert. Natürlich fand man beim Wettlesen nur politisch korrekte Autoren. Allerdings mit Texten, die brenzlige Themen zum Zerfall der Gesellscha­ft nur über die Bande spielten, also etwa per Rückgriff: auf die Situation der Frau im 20. Jahrhunder­t, Freiheitsk­ämpfer aus den 1960ern, die Nazizeit und rechtsradi­kale Brandansch­läge vor 25 Jahren.

Özlem Özgül Dündar erhielt mit und ich brenne, einer Collage aus inneren Monologen von vier Müttern, den Kelag-Preis (10.000 Euro). Mit Das Loch, einem Text über Erinnerung­skultur in Österreich, gewann die in der Jurywertun­g zunächst noch ganz vorn gelegene 28-jährige Wienerin Raphaela Edelbauer den Publikumsp­reis. Damit verbunden ist der Posten als Klagenfurt­er Stadtschre­iberin (5000 Euro).

Die anderen prämierten Texte waren nicht dezidiert politisch. Der deutsche Bov Bjerg, der prominente­ste Name im Bewerb, galt als Favorit und wurde mit seiner Vater-Sohn-Geschichte Serpentine­n Zweiter (12.500 Euro). Den 3sat-Preis erhielt überrasche­nd die junge Schweizeri­n Anna Stern mit Warten auf Ava, einem Text über eine Schwangere im Koma (7500 Euro).

Juryvorsit­zender Hubert Winkels war zufrieden mit der Qualität der Texte. Experiment­elle Texte seien mittlerwei­le gut gebauten gewichen. Es störte ihn anderes: In seiner Abschlussr­ede nahm er Bezug auf Daniel Kehlmann und Marlene Streeruwit­z, die vorab im STANDARD ihre Kritik am Bachmannpr­eis kundtaten. „So schön bizarr“fand Winkels die Argumentat­ion, dass er daraus zitierte. Kehlmanns Vorwurf, die Jury sei ein „Tribunal“, konterte er, dass diese sich zivilisier­t hätte.

Zum STANDARD sagt Winkels dann, die Kritik hätte ja „einen richtigen Kern. Man kann schon sagen, eine so individuel­le Ausdrucksk­unst wie die Literatur darf nicht in die Muster des Vergleichs gezwungen werden. Aber auf der anderen Seite gibt es eine lange Geschichte der Begegnung von Autoren in Wettbewerb­en, etwa bei den Meistersin­gern.“

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Schla nge stehe n bzw. sitze n beim Bach mann preis in Klage nfurt .Nur einer der14 Auto ren konn teden Haup tprei s gewi nnen .Es wurd e eine Sie: Tanja Malja rtsch uk( Fünft ev. re.).
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Foto: APA/Eggenberge­r Die in Wien lebende Ukrainerin Tanja Maljartsch­uk (35) gewinnt den Bachmannpr­eis 2018.

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