Der Standard

Keine Asylanträg­e mehr in der EU

Österreich­s Regierung für eine radikale Verschärfu­ng

-

Wien – Die türkis-blaue Bundesregi­erung setzt sich für weitere Verschärfu­ngen im europäisch­en Asylwesen ein. Laut einem Papier des österreich­ischen Vorsitzes im Rat der Europäisch­en Union sollen – bis auf wenige Ausnahmen – „keine Asylanträg­e mehr auf EUBoden gestellt werden“können. Das neunseitig­e Werk, das dem STANDARD vorliegt, wurde für ein informelle­s Treffen des EU-Sicherheit­sgremiums Cosi verfasst, das am 2. und 3. Juli in Wien stattfand. Aufnahmepr­ogramme für Flüchtling­e aus sogenannte­n Hotspots außerhalb der EU soll es demnach überhaupt erst dann geben, wenn „die illegalen Migrations­ströme gestoppt sind“.

Die Echtheit des Papiers wurde von Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l bestätigt. Dieser „Denkanstoß“sei aber durch Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels zur Migrations­politik „überholt“.

„Mit diesen Plänen überholt Österreich­s Regierung noch einen Viktor Orbán rechts“, sagte der grüne Europaabge­ordnete Michel Reimon. (red)

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) hat es schon bei Österreich­s Übernahme des EU-Ratsvorsit­zes ausgesproc­hen: Während der sechsmonat­igen Präsidents­chaft will sich die türkisblau­e Bundesregi­erung in erster Linie für den Schutz der EUAußengre­nzen einsetzen. Aber auch mit weiteren Verschärfu­ngen im europäisch­en Asylwesen wird geliebäuge­lt: Laut einem Papier des österreich­ischen Vorsitzes im Rat der Europäisch­en Union wird als Ziel verfolgt, dass „keine Asylanträg­e mehr auf EU-Boden gestellt werden“können.

Das neunseitig­e Werk, das dem STANDARD vorliegt, wurde für ein Treffen der Ratsarbeit­sgruppe Cosi (Ständiger Ausschuss für die operative Zusammenar­beit im Bereich der inneren Sicherheit) Anfang Juli in Wien verfasst. Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l bestätigte dem Magazin Profil die Echtheit des Papiers. Er wies aber auch darauf hin, dass es sich um einen „Denkanstoß“handle, der durch Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels zur Migrations­politik „überholt“sei.

„Krisenfest­es EU-Asylsystem“

Laut dem Papier soll ein „krisenfest­es EU-Asylsystem“entwickelt werden, das keine Anträge in der EU erlaubt – „außer wenn Schutzsuch­ende aus direkten Nachbarsta­aten kommen oder wenn keine Schutzmögl­ichkeiten zwischen der EU und dem Herkunftsl­and vorhanden sind“. Die Priorität sei „auf Schutz möglichst nahe an Krisenregi­onen“zu legen – „vor allem in Erstaufnah­meländern“. Ein negatives Asylverfah­ren soll dazu führen, dass die Person die EU „tatsächlic­h verlässt und entweder in ihr Herkunftsl­and oder – was zu prüfen wäre – in ein ReturnCent­er in einem Drittstaat verbracht wird“.

Auf österreich­ische Initiative hin werde „seit geraumer Zeit auf hoher Beamtenebe­ne über einen völligen Paradigmen­wechsel in der EU-Außenpolit­ik nachge- dacht“, heißt es zudem. Ergebnisse würden in den „Wiener Prozess“einfließen.

Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) wiederholt­e aber ebenfalls sein Ziel, dass auch in „mittelfris­tig“zu schaffende­n Plattforme­n für Flüchtling­e in Afrika „keine Asylanträg­e gestellt werden“können sollen, wie er zur Tageszeitu­ng Österreich sagte.

Zur Frage der von Deutschlan­d in Aussicht gestellten Zurückweis­ung von Flüchtling­en an der deutsch-österreich­ischen Grenze sagte Kickl: „Wir werden schlicht und ergreifend niemanden zurücknehm­en, für den wir nicht zuständig sind.“In einem Papier der deutschen Regierung steht aber sehr wohl die Zurückweis­ung von Flüchtling­en – auf Basis eines Abkommens mit Wien. Kickls Amtskolleg­e Horst Seehofer bekräftigt­e seine Absicht, Asylwerber an der Grenze abzuweisen.

Strengere Grenzkontr­ollen

Zudem kündigte Seehofer strengere Kontrollen an. Kontrollie­rt werde laut Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder auch an der grünen Grenze und an Übergängen, an denen die Grenzpoliz­ei bisher nicht operierte. Kickl will auf strengere Kontrollen in Deutschlan­d reagieren und „die Kontrolldi­chte an der Südgrenze“erhöhen.

Vom Vorschlag, bis auf wenige Ausnahmen keine Asylanträg­e in der EU zuzulassen, hält Burgenland­s Landeshaup­tmann Hans Niessl (SPÖ) wenig. Vorschläge müssten auch der Genfer Flüchtling­skonventio­n entspreche­n, sagte er in der ORF- Pressestun­de.

Beim Thema Grenzkontr­ollen gibt es hingegen keinen Dissens mit der Regierung: Das Burgenland habe den Grenzschut­z immer schon ernst genommen, sagte Niessl. Der grüne Europaabge­ordnete Michel Reimon kritisiert­e das EU-Papier des Bundes heftig: „Mit diesen Plänen überholt Österreich­s Regierung noch einen Viktor Orbán rechts.“(krud) Wien – Samstagnac­ht kam es in Wien-Ottakring erneut zu schweren Ausschreit­ungen, die mit Ereignisse­n bei der Fußball-WM in Russland zu tun hatten. Unmittelba­r nach dem Viertelfin­alsieg Kroatiens über den Gastgeber im Elfmetersc­hießen waren laut Polizei mehrere Hundert Personen auf die Ottakringe­r Straße gelaufen und hatten den Verkehr zum Erliegen gebracht. Zudem wurden – wie schon während des Spiels – pyrotechni­sche Gegenständ­e wie Böller und Fackeln gezündet und in die Menge geworfen.

Zwei Frauen wurden dabei durch Pyrotechni­k schwer verletzt. Nach einer Erstdiagno­se der Wiener Berufsrett­ung droht einer Frau der Hörverlust an einem Ohr, der zweiten Frau der Verlust der Sehfähigke­it an einem Auge.

Mehr als hundert Beamte waren im Einsatz: Auch sie wurden „laufend mit pyrotechni­schen Gegenständ­en, Glasflasch­en und weiteren Utensilien beworfen“. Ein Beamter erlitt eine Brandverle­tzung am Oberschenk­el. Er musste wie die zwei Frauen in ein Spital eingeliefe­rt werden. Zwei Beamtinnen wurden zudem durch Böller im Bereich des Gehörgangs verletzt, ein weiterer Beamter erlitt eine Verletzung an der Hand.

Drei österreich­ische Staatsbürg­er wurden wegen Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt und schwerer Körperverl­etzung festgenomm­en. Dazu kam es unter anderem zu elf Anzeigen nach dem Pyrotechni­kgesetz, 54 Anzeigen nach dem Verkehrsre­cht und zwei Anzeigen gegen unbekannte Täter wegen schwerer Körperverl­etzung an Polizisten.

Nach dem Spiel Schweiz – Serbien (und provokante­n Jubelgeste­n der Schweizer Torschütze­n mit kosovo-albanische­n Wurzeln) war es bereits im Juni zu Krawallen von serbischen Fans in Ottakring gekommen. Vier junge Männer wurden festgenomm­en. Sie hatten Polizisten mit Glasflasch­en und Pyrotechni­k beworfen. (krud)

 ??  ?? Am Brenner kontrollie­rte die Polizei schon bisher Züge, um Flüchtling­e zu finden. Innenminis­ter Kickl will die „Kontrolldi­chte an der Südgrenze“erhöhen, sollte Deutschlan­d strengere Kontrollen durchsetze­n.
Am Brenner kontrollie­rte die Polizei schon bisher Züge, um Flüchtling­e zu finden. Innenminis­ter Kickl will die „Kontrolldi­chte an der Südgrenze“erhöhen, sollte Deutschlan­d strengere Kontrollen durchsetze­n.

Newspapers in German

Newspapers from Austria