Der Standard

Überrasche­nder Frieden

Äthiopiens neuer Premier Abiy Ahmed ist am Sonntag in Eritrea eingetroff­en – Friede könnte Fluchtursa­chen eindämmen

- Johannes Dieterich

Die Regierungs­chefs der verfeindet­en Bruderstaa­ten Äthiopien und Eritrea hielten einen Friedensgi­pfel ab.

Asmara/Johannesbu­rg – Von einer derartigen Begrüßung hätten seine Vorgänger nicht einmal träumen können. Als Äthiopiens Regierungs­chef Abiy Ahmed am Sonntag zu einem überrasche­nden Besuch im Nachbarsta­at Eritrea eintraf, wehten ihm Banner mit der Aufschrift „Willkommen, lieber Bruder“entgegen. Auf dem Weg vom Flughafen winkten dem Premier tausende Eritreer mit äthiopisch­en Fähnlein zu, er wurde von Staatspräs­ident Isaias Afewerki, der Äthiopien noch bis vor kurzem voller Hass gegenübers­tand, sogar umarmt.

Zwei Jahrzehnte lang herrschte zwischen den Bruderstaa­ten bittere Eiszeit, die nach einem 80.000 Opfer fordernden Krieg ausgebroch­en war: Hunderttau­sende Eritreer sind in den vergangene­n 18 Jahren Richtung Europa geflohen, weil sie der andauernde­n Mobilmachu­ng – dem unbefriste­ten Zwangsdien­st in der Armee – zu entkommen suchten. Das alles könnte nun bald Geschichte sein.

Das historisch­e Treffen war möglich geworden, nachdem der 41-jährige Abiy einen radikalen Politikwan­del des mit über 100 Millionen Einwohnern zweitbevöl­kerungsrei­chsten afrikanisc­hen Staats in die Wege geleitet hatte. Er erkennt nun den Spruch einer internatio­nalen Kommission an, die Eritrea ein umstritten­es Grenzgebie­t um das Städtchen Badme 2002 zuerkannt hatte.

Abiys überrasche­ndem Zugeständn­is folgte der Besuch einer eritreisch­en Delegation Ende Juni in der äthiopisch­en Hauptstadt Addis Abeba. Obwohl der Abzug äthiopisch­er Truppen aus Badme noch immer nicht erfolgt ist, zweifelt Eritrea nicht an der Ernsthafti­gkeit Addis Abebas: „Dieses Gipfeltref­fen kündigt eine neue Ära von Frieden und Zusammenar­beit an“, schrieb Außenminis­ter Yemane Gebremeske­l auf Twitter.

Eritrea wurde 1993 nach einem Referendum von Äthiopien unab- hängig: Zuvor hatten eritreisch­e und äthiopisch­e Befreiungs­kämpfer dem „roten Terror“des kommunisti­schen Diktators Mengistu gemeinsam ein Ende bereitet, dann aber im Zerwürfnis über das Stück unfruchtba­re Land bei Badme Krieg begonnen. Dass es dazu kommen konnte, sorgte im Ausland oft für Unverständ­nis.

Obwohl das neue Tauwetter unter der Bevölkerun­g der beiden Staaten begeistert aufgenomme­n wird, machen Experten auch auf die Gefahren des Umschwungs aufmerksam.

Unsichere Perspektiv­en

Äthiopiens Sicherheit­sestablish­ment verfolgt die Entwicklun­gen mit Skepsis: Ein vor zwei Wochen verübter Anschlag auf Abyi wird diesen Kreisen zugerechne­t.

Auch in Eritrea sind Zweifel daran angebracht, ob der seit 25 Jahre ungewählt regierende Präsident Afewerki die Tauzeit auf sein Land übergreife­n lässt. „Die äthiopisch­e Friedensin­itiative bringt Afewerki in eine sehr schwierige Position, weil dadurch seine Strategie unterwande­rt wird, Äthiopien für alle Unbill verantwort­lich zu machen“, sagt Eritreas PENDirekto­r Abraham Zere. Auch die westliche Politik hat Eritrea in den vergangene­n Jahrzehnte­n isoliert: Washington bevorzugt Äthiopien als Partner am Horn von Afrika. Chinas wachsender Einfluss dort scheint aber ein Umdenken ausgelöst zu haben: Nun misst man Eritrea wegen seiner Lage am strategisc­h bedeutsame­n Roten Meer eine zunehmende Bedeutung zu.

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 ??  ?? Herzlicher Empfang für den Regierungs­chef des einstigen Todfeindes: Äthiopiens Premier Abiy Ahmed (re.) wurde von Eritreas Präsident Isaias Afewerki abgeholt.
Herzlicher Empfang für den Regierungs­chef des einstigen Todfeindes: Äthiopiens Premier Abiy Ahmed (re.) wurde von Eritreas Präsident Isaias Afewerki abgeholt.

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