Der Standard

Relativ schrecklic­h

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Man gewöhnt sich daran. Es wird schleichen­d Normalität. Diese „hässlichen Bilder“: die im Wasser treibenden kleinen Leichen in bunten Strampelan­zügen. Die in den Sand diverser europäisch­er Strände geschmiegt­en leblosen Kindergesi­chter. Seit dem Tod des Buben namens Alan Kurdi ist ja schon einige Zeit vergangen. Da stumpft man schon einmal ab. Ja, da kann man leider nichts machen. Im Gegenteil. Man will offenbar auch nichts machen.

Es sind eben die falschen Kinder mit falschen Geburtsort­en. Irgendwann wird man sich fragen müssen, wie es so weit kommen konnte. Wieder. Und auch, wie es in Europa wieder möglich war, Menschen, die andere Menschen retten, wie des Verbrechen­s Verdächtig­e zu behandeln. Die Frage zu stellen, wie man es zulassen konnte, Rettungssc­hiffe festzusetz­en und damit täglich Flüchtling­e akuter Todesgefah­r, ja Todesgewis­sheit auszusetze­n, und dabei sagen zu können, es sei alles mit rechten Dingen zugegangen. Ja, leider, leider! Unschöne Bilder, keine Frage. Aber: alles gesetzesko­nform.

Die Frage wird einmal schmerzhaf­t brennen. Wie es in Europa salonfähig wurde, diese Situation herbeizufü­hren, die schon einmal Realität gewesen ist. Jene, die Anne Frank und ihre Familie versteckte­n, handelten auch damals schon strafbar und wider das Gesetz. Und jene, die Anne Frank töteten, handelten legal. Legalität ist ein dehnbarer Begriff. Das Sterben aber ist endgültig.

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