Der Standard

Ende der Zollunion wirft viele Fragen auf

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Das könnte eine harte Nuss für die EU werden: Großbritan­nien will zwar aus der Europäisch­en Union austreten, beim Handel mit Waren und agrarische­n Erzeugniss­en aber weiterhin Freihandel mit dem Kontinent betreiben. Premiermin­isterin Theresa May und ihr Kabinett haben mit dem Plan eine wirtschaft­sfreundlic­he Variante gewählt, mit der ein harter Brexit – ein EU-Austritt ohne eigene Rahmenvere­inbarung mit der Union – vermieden werden soll. Das ist vor allem für britische Exporteure wichtig, deren Absatzchan­cen sich mit der Einführung von Zöllen und anderen Handelsbar­rieren durch die EU dramatisch verschlech­tern würden. Das wiederum beeinträch­tigt Investitio­nen in Großbritan­nien und gefährdet zahlreiche Werke.

Doch die neue Regierungs­linie wirft auch viele Fragen auf.

Zentraler Punkt ist, wie der Freihandel funktionie­ren soll, wenn es gleichzeit­ig keine Zollunion mit der EU gibt. Der Aspekt war den Briten wichtig, ermöglicht doch ein eigenes Außenhande­lsregime den Abschluss von Freihandel­sabkommen mit Dritt- staaten. Das Königreich könnte beispielsw­eise mit den USA einen aus Regierungs­sicht attraktive­n Vertrag vereinbare­n, während die Verhandlun­gen zwischen Washington und Brüssel stocken. Brexiteers haben immer wieder betont, dass der Freihandel mit anderen Ländern die Einbußen im Warenverke­hr mit der EU überkompen­sieren könnte.

Der britische Mittelweg könnte – um beim Beispiel USA zu bleiben – folgende Variante bringen: London schafft in einem Freihandel­sabkommen mit Washington Autozölle ab, während die EU amerikanis­che PkwImporte weiterhin mit einem Aufschlag von zehn Prozent belegt. Das Problem: Was passiert mit einem Wagen, der von Großbritan­nien weiter nach Belgien verkauft wird? May meint, dass es zwei verschiede­ne Systeme geben wird. Keine Zölle im Handel mit britischen und europäisch­en Waren; und ein eigenes Regime für Produkte, die importiert und – eventuell nach weiterer Bearbeitun­g im Königreich – weiterverk­auft werden. Hier würden die Briten einen eigenen Zoll einheben.

Das führt aber zu der Frage, wie das kontrollie­rt wird. Die EU hat auch mit anderen Ländern wie der Türkei ein Freihandel­sabkommen, doch dieses wird durch einheitlic­he Außenzölle abgesicher­t. Wenn es diese Zollunion nicht gibt, muss die EU den Handel mit Dritten unter die Lupe nehmen. Das könnte zu Wartezeite­n beispielsw­eise an Häfen führen. Auch der Personenve­rkehr müsste kontrollie­rt werden, könnten doch Private die Zollunters­chiede ausnützen. Ganz zu schweigen von der irischen Grenze, an der May den freien Handel aufrechter­halten will. Doch Antworten auf die Frage, wie die Einhaltung der Regeln überwacht werden soll, gibt es bisher nicht.

Dann wäre da noch die Frage der EU-Position. Die Union hat sich bisher gegen „Rosinenpic­ken“ausgesproc­hen. Entweder Binnenmark­t inklusive freien Personen-, Kapitalund Dienstleis­tungsverke­hrs oder gar nichts. Auch für die Briten wird das eine harte Nuss. Banken beispielsw­eise müssten künftig eine Lizenz in der EU beantragen, wollten sie in Europa mitspielen. (red)

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