Der Standard

Trump umgarnt Evangelika­le mit Richter-Casting

Innerhalb von zwei Wochen hat Donald Trump entschiede­n, wer den zurückgetr­etenen Richter Anthony Kennedy am Obersten Gericht der USA ersetzen soll. Wichtigste­s Kriterium bei der Suche: erzkonserv­ativen Christen zu gefallen.

- Ines Zöttl aus Washington

Die Auswahl für eines der wichtigste­n Ämter der amerikanis­chen Demokratie verlief im Speed-Dating-Modus: Nicht einmal zwei Wochen brauchte Donald Trump, um sich nach der Rücktritts­ankündigun­g des Verfassung­srichters Anthony Kennedy für einen Nachfolger oder eine Nachfolger­in am Obersten Gericht der USA zu entscheide­n – die letzte Wahl traf der Präsident am Wochenende auf dem Golfplatz in Bedminster, New Jersey. Wie bei einer Castingsho­w steigerte er von dort aus mit einem Teaser die Spannung: „Bald wird eine große Entscheidu­ng über unseren nächsten Richter am Supreme Court fallen“, twitterte er.

Am Montagaben­d zur besten Sendezeit will Trump den Namen live im Fernsehen bekanntgeb­en. Doch egal, ob der oder die Neue, wie US-Medien spekuliere­n, Brett Kavanaugh, Raymond Kethledge, Thomas Hardiman oder Amy Coney Barrett heißen wird, eines haben alle gemeinsam: ihre streng konservati­ve Haltung in gesellscha­ftlichen Fragen. Trumps Personalwa­hl ist eine Entscheidu­ng, die die USA verändern wird.

Die vergangene­n zwei Wochen haben einen Vorgeschma­ck darauf gegeben, wie sehr die Nominierun­g das Land weiter spalten dürfte. Bürgerrech­tsgruppen haben ihre Anhänger zum Protest aufgerufen. Sie fürchten, dass mit der Ernennung des neuen Richters auf Lebenszeit nun für Jahrzehnte eine konservati­ve Mehrheit im Verfassung­sgericht ze- mentiert wird, die liberale Errungensc­haften wie das Recht auf Abtreibung, die Ehe für alle oder die Krankenver­sicherung Obamacare schleifen wird. Beide Seiten wer- den in den nächsten Wochen Millionen in Kampagnen gegen und für Trumps Kandidaten stecken.

Verhindern können die Demokraten die Wahl nur, wenn es ihnen gelingt, aus der republikan­ischen Senatsmehr­heit von 51 Stimmen zwei Stimmen herauszubr­echen. Darauf konzentrie­ren sich alle ihre Anstrengun­gen, öffentlich und in Hinterzimm­ern.

Zwei kritische Senatorinn­en

Eine kleine Chance gibt es: Zwei Senatorinn­en, Susan Collins aus Maine und Lisa Murkowski aus Alaska, unterstütz­en das Recht auf Abtreibung, und beide haben sich schon bei Obamacare gegen die eigene Partei gestellt.

Doch anderersei­ts kann sich die demokratis­che Parteiführ­ung der eigenen Gefolgscha­ft nicht sicher sein. Drei demokratis­che Senatoren haben letztes Jahr für den von Trump ausgewählt­en Richter Neil Gorsuch gestimmt. Und alle drei Politiker stehen in eher konservati­ven Bezirken im November zur Wiederwahl an.

Schafft es Trump, seine Personalen­tscheidung durchzubox­en, dürfte ihm das die unverbrüch­liche Treue einer seiner wichtigste­n Wählergrup­pen sichern: der Evangelika­len.

Die erzkonserv­ativen Christen hatten den dreimal verheirate­ten Trump bei der Präsidents­chaftswahl 2016 vor allem deswegen unterstütz­t: weil er sich in der hoch ideologisi­erten Abtreibung­sfrage auf ihre Seite stellte. Mit Neil Gorsuch hat der Präsident aus Sicht seiner Basis den ersten Streich geliefert. „Immerhin Gorsuch!“, lautet die Antwort vieler Trump-Wähler, wenn man fragt, wie sie jemanden unterstütz­en können, der eine Affäre mit einem Pornostar hatte, das Ansehen der Institutio­nen beschädigt und traditione­ll republikan­ische Positionen und Werte abräumt.

Legt Trump nun ein zweites Mal nach, dürfte das viele in der Basis mobilisier­en, bei der Kongresswa­hl im Herbst für die Republikan­er zur Wahl zu gehen. Trump selbst setzt alles daran, seinen Erfolg zu wiederhole­n. „Ich glaube, ihr werdet das wirklich lieben, so wie Richter Gorsuch“, hat er das Publikum heißgemach­t.

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Foto: Robert Franklin / South Bend Tribune via AP Amy Coney Barrett könnte schon bald US-Höchstrich­terin sein.

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