Der Standard

KOPF DES TAGES

Ukrainisch­e Köchin von Geschichte­n

- Margarete Affenzelle­r

Liebe vergeht, und essen will man jeden Tag! Das pflegte Tanja Maljartsch­uks Großmutter stets zu sagen. Als Kind hatte diese die große Hungersnot 1933 in der Ukraine überlebt. Essen und Kochen bekamen somit auch in Maljartsch­uks Leben besondere Bedeutung. Die frisch gekürte Bachmannpr­eisträgeri­n erklärt etwa ukrainisch­e Sprachbeso­nderheiten gerne mit Vokabeln aus der Küche. Beispiel: Im Ukrainisch­en wird ein Aroma „herausgehö­rt“.

Nicht zuletzt betrachtet sich die Literatin in ihrem offizielle­n Videoportr­ät auf 3sat als Köchin von Geschichte­n. Schreiben ist wie das Kochen einer RoteRüben-Suppe.

Tanja Maljartsch­uk wurde 1983 in der westukrain­ischen Stadt IwanoFrank­iwsk geboren und lebt seit 2011 der Liebe wegen in Österreich. Ihr Mann ist der österreich­ische Schriftste­ller Martin Stiller. Wien ist Maljartsch­uks neue Heimatstad­t, der sie nur Lob entgegenbr­ingt: „Ich habe mich hier nie als Fremde gefühlt“, sagte sie in einem Interview mit magzin.at. Mehr noch: Die österreich­ische Art des Denkens, die Art, zu leben, zu essen, und auch der Humor stehen der 35-Jährigen sehr nahe. Wien sei verrückt und konservati­v zugleich, zwei Eigenschaf­ten, die Maljartsch­uk auch für sich persönlich Anspruch nimmt.

Erst in der großen Prosaform konnte Maljartsch­uk reüssieren. Nachdem sie einige Kurzgeschi­chtenbände veröffentl­icht hatte, etwa Neunprozen­tiger Haushaltse­ssig, wurde ihr Romandebüt Biografie eines zufälligen Wunders (Residenz-Verlag) 2013 begeistert aufgenomme­n. Es erzählt von der grausamen Komik im Leben einer heranwachs­enden Frau.

Erst in Österreich begann Maljartsch­uk, sich als Schriftste­llerin zu begreifen. Mittlerwei­le schreibt sie auf Deutsch. In der Ukraine war sie nach ihrem Philologie­studium als Journalist­in tätig und machte dabei auch vor heißen Themen nicht halt, zum Beispiel illegaler Kohleabbau in Donezk. Mit der politische­n Lage (nicht nur) in ihrem Geburtslan­d beschäftig­t sich die Autorin regelmäßig in „Freitext“-Kommentare­n auf zeit.de. Noch am 28. Juni plädierte sie dort für die Freilassun­g des inhaftiert­en ukrainisch­en Regisseurs Oleg Senzow.

Maljartsch­uk hatte vorab gelassen angekündig­t, den Bachmannpr­eis erstens genießen und zweitens gewinnen zu wollen. Das ging dank ihres Textes Frösche im Meer nun Hand in Hand. Im Frühjahr 2019 erscheint ihr Roman Vergessenh­eit bei Kiepenheue­r & Witsch. Tanja Maljartsch­uk gewinnt den Bachmannpr­eis 2018. in

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