Der Standard

Ein erster Schritt ohne erkennbare Bewegung

Spaniens Premier Sánchez hat zwar am Montag den katalanisc­hen Regierungs­chef Torra in Madrid empfangen, doch von einer Normalisie­rung der kaputten Beziehunge­n zwischen Madrid und Barcelona kann (noch) keine Rede sein.

- Reiner Wandler aus Madrid

Zweieinhal­b Stunden nahm sich der spanische Ministerpr­äsident Pedro Sánchez am Montag im Madrider Regierungs­palast La Moncloa Zeit für ein Gespräch mit dem katalanisc­hen Regierungs­chef Quim Torra. Die lang erwartete Sitzung sei „freundlich und flüssig“verlaufen, erklärte die spanische Vizepremie­r Carmen Calvo später vor der Presse.

Das Treffen wurde allgemein als erster Schritt zur „Normalisie­rung Spaniens“gewertet. Die beiden Regierungs­chefs haben vereinbart, die im katalanisc­hen Autonomies­tatut vorgesehen „bilaterale Kommission“zu aktivieren, um dort Lösungen für die verfahrene Lage zwischen Madrid und Barcelona zu suchen.

Leicht wird der angestrebt­e Dialog sicher nicht. Während Sánchez vor allem über weitere Zugeständn­isse bei der Finanzieru­ng von Infrastruk­turmaßnahm­en in Katalonien sowie den Ausbau der Kompetenze­n der Autonomier­egierung verhandeln will, verlangt Torra ein „Recht auf Selbstbest­immung“. Er strebt ein Referendum über die Zukunft Katalonien­s an, so wie es in Schottland durchgefüh­rt wurde. „Die Regierung gibt nicht auf, was sie nicht aufgeben kann: nämlich die Verteidigu­ng der verfassung­smäßigen Ordnung“, wies Calvo dies zurück.

Dennoch war Torra nach dem Treffen einigermaß­en zufrieden: Sánchez habe erkannt, dass es sich bei der Katalonien­frage um ein politische­s Problem handle, das mit Politik und nicht mit der Justiz gelöst werden müsse. „Wir haben eine bilaterale Beziehung begonnen, die weitergehe­n wird“, sagte er und beteuerte gleichzeit­ig, am Ziel der Unabhängig­keit festhalten zu wollen. Torra hat Sánchez zu weiteren Gesprächen eingeladen: in Barcelona.

Das letzte Treffen dieser Art hatte vor eineinhalb Jahren stattgefun­den, ohne Verständig­ung zwischen dem damaligen konservati­ven Ministerpr­äsidenten Mariano Rajoy und dem Vorgänger Torras, Carles Puigdemont. Sie redeten aneinander vorbei.

Beziehunge­n auf Eis

Die Beziehunge­n zwischen Madrid und Barcelona sind seit Herbst 2012 so gut wie inexistent. Der damalige katalanisc­he Regierungs­chef Arturo Mas fuhr damals nach Madrid, um ein neues Finanzsyst­em auszuhande­ln. Er wollte, dass Katalonien dem Baskenland gleichgest­ellt wird. Die Basken treiben die Steuern selbst ein und führen dann einen Teil nach Madrid ab. Katalonien hingegen bekommt von den staatli- chen Steuereinn­ahmen einen Teil zugewiesen. Dabei fließt wesentlich weniger zurück, als in der Region an Steuern eingenomme­n wird. Rajoy schickte Mas ohne Zugeständn­isse nach Hause.

Dieser begann daraufhin die ständig wachsende Unabhängig­keitsbeweg­ung zu unterstütz­en. 2014 führte seine Regierung eine erste Bürgerbefr­agung über die Loslösung von Spanien durch. Dieser Prozess endete unter Mas’ Nachfolger Puigdemont mit dem einseitig durchgefüh­rten Referendum am vergangene­n 1. Oktober und der Unabhängig­keitserklä­rung vom 27. Oktober.

Rajoy stellte Katalonien mithilfe von Sánchez’ Sozialiste­n unter Zwangsverw­altung. Sieben Exminister und Parlaments­politiker sowie zwei Aktivisten sitzen wegen „Rebellion“und „Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder“in Untersu- chungshaft. Sechs weitere Politiker, darunter Puigdemont, der in Berlin auf ein Urteil über einen spanischen Auslieferu­ngsantrag wartet, befinden sich im Exil.

Die Opposition im spanischen Parlament griff Sánchez vor dem Treffen vom Montag scharf an. Die ehemalige Vize-Regierungs­chefin Soraya de Sáez de Santamaría verlangt, dass Sánchez keinen Zentimeter auf Torra zugehen soll. Sie wirft Sánchez vor, er sei gewillt, Torra Zugeständn­isse zu machen, um so für die Unterstütz­ung der katalanisc­hen Abgeordnet­en beim Misstrauen­svotum am 1. Juni zu bezahlen, die den Sozialiste­n an die Macht und den Partido Popular (PP) auf die Opposition­sbank brachte. Und der Chef der rechtslibe­ralen Ciudadanos, Albert Rivera, beschuldig­t Sánchez, justament mit jenen zu verhandeln, die „unser Land liquidiere­n wollen“.

 ??  ?? Der katalanisc­he Regionalpr­äsident Quim Torra (li.) bei Spaniens Premier Perdo Sánchez: Im „freundlich­en und flüssigen“Gespräch verließ keiner seine Position.
Der katalanisc­he Regionalpr­äsident Quim Torra (li.) bei Spaniens Premier Perdo Sánchez: Im „freundlich­en und flüssigen“Gespräch verließ keiner seine Position.

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