Der Standard

Äthiopien und Eritrea beenden 20-jährigen Krieg

Ostafrikan­ischer Frühling mit strategisc­hen Hintergeda­nken

- Manuel Escher

Asmara / Addis Abeba / Wien – Zwei Jahrzehnte waren Äthiopien und Eritrea de facto im Kriegszust­and, einem der am längsten anhaltende­n in Afrika. Mehr als 80.000 Tote hat der Konflikt gefordert, ohne dass der umstritten­e Grenzverla­uf zwischen den beiden Ländern sich maßgeblich geändert hätte. Nur wenige Wochen hat es nun gedauert, den Krieg zu beenden. Äthiopiens Anfang April neu ernannter Premier Abiy Ahmed und Eritreas Staatschef Isaias Afewerki haben sich am Montag in Eritreas Hauptstadt Asmara aber nicht nur auf einen Frieden geeinigt, sondern gleich auch auf umfassende Kooperatio­n.

Erstmals seit Jahren sollen die Militärs der beiden Länder wieder miteinande­r reden, Flüge der Ethiopian Airlines nach Asmara sollen bald starten. Zudem will man in Handelsfra­gen kooperiere­n. Und vor allem: Äthiopien soll den Hafen im eritreisch­en Assab nutzen dürfen. Er war vor der Unabhängig­keit Eritreas von Äthiopien 1993 einer der wichtigste­n Häfen des Landes. Seitdem 1998 zwischen den beiden Staaten der Krieg um den kleinen Grenzstrei­fen bei Badme ausbrach, war er, so wie ein zweiter Hafen bei Massawa, für Äthiopien gesperrt. Der 100-Millionen-Einwohner-Staat musste sich für den Handel auf die Kooperatio­n der Küstenstaa­ten Sudan und Dschibuti verlassen.

Annäherung an Totalitäre

Die Öffnung des Hafens dürfte für Abiy eines der zentralen Argumente für die Annäherung gewesen sein. Seit er Anfang April die Regierung übernahm, ist eine seiner zentralen Strategien, den Anschluss Äthiopiens an die Region zu verbessern – Addis hat seither schon Kooperatio­nsdeals mit den Häfen in Port Sudan, mit Dschibuti und dem semi-unabhängig­en Somaliland geschlosse­n.

Dass Äthiopien dafür auch jüngst einen Kredit bei den Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) aufgenomme­n hat, dürfte die Verhandlun­gen mit Eritrea erleichter­t haben. Denn auch Asmara hängt schon seit geraumer Zeit am Tropf der VAE und Saudi-Arabiens, die sich mit anderen Regional- und Weltmächte­n derzeit ein Rennen um die wichtigste­n Häfen in der Region liefern. Die VAE haben auch eine Truppenbas­is für den Jemen-Krieg in Eritrea aufgebaut.

Und dann sind da noch die USA, die als strategisc­her Partner in Äthiopien zum Beispiel eine Drohnenbas­is betreiben. Auch ihr Interesse daran, die Isolation des totalitär regierten Eritrea zu beenden, ist zuletzt gewachsen. Washington hatte sich für seine Marinetrup­pen am Horn von Afrika vor allem auf Dschibuti verlassen – doch seit auch China dort eine Basis eröffnet hat, sinkt das Vertrauen in den Küstenstaa­t.

Innenpolit­isch ist eine Einigung sowohl für Abiy als auch für Afewerki riskant. Letzterer stützt seine Repression­smaßnahmen vor allem auf das Argument, Eritrea müsse stets für einen Krieg mit Äthiopien bereit sein. Abiy hingegen muss mit der bisher in Äthiopien dominieren­den Volksgrupp­e der Tigrayer ein Auslangen finden, der er als erster Premier seit langem nicht entstammt. Tigray ist die Region Äthiopiens, die an Eritrea grenzt, dort wurde gegen die Annäherung demonstrie­rt. Riskant ist das für Abiy, weil Tigrayer stark in den Sicherheit­sdiensten vertreten sind.

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