Der Standard

Deutsch-chinesisch­er Schultersc­hluss gegen Trump

Bei den fünften deutsch-chinesisch­en Regierungs­konsultati­onen in Berlin warnen Kanzlerin Angela Merkel und Chinas Premier Li Keqiang vor Protektion­ismus und werben für Freihandel.

- Birgit Baumann aus Berlin, Johnny Erling aus Peking

Eigentlich waren sie nur zu zweit am Montagnach­mittag bei der Pressekonf­erenz im Berliner Kanzleramt: die deutsche Regierungs­chefin Angela Merkel und der chinesisch­e Premier Li Keqiang. Doch es gab noch einen „unsichtbar­en Dritten“– nicht dabei, aber immer Raum: nämlich US-Präsident Donald Trump.

Die fünften deutsch-chinesisch­en Regierungs­konsultati­onen fanden nur wenige Tage nach der Eskalation im Zollstreit zwischen den USA und China statt. Nachdem die USA am Freitag Zölle im Wert von 34 Milliarden Dollar auf chinesisch­e Waren verhängt hatte, reagierte Peking unmittelba­r und verhängte Zölle im gleichen Umfang.

Der seit langem geplante Besuch der Chinesen in Deutschlan­d kam Li gerade recht, er konnte auf eine weitere Festigung der Beziehunge­n verweisen. „Wir haben 22 Abkommen unterschri­eben, Regierungs­kooperatio­nen und auch Wirtschaft­skooperati­onen“, sagte Merkel. Li betonte: „Deutsche Spitzenpro­dukte und Hightech sind in China sehr willkommen.“Der Autobauer BMW kündigte an, seine Präsenz in China auszubauen. Nach Angaben von BMW soll dafür ein Joint Venture mit der Brilliance Automotive Group (BBA) erweitert werden.

Auch der Technologi­ekonzern Siemens und die Cloud-Sparte des chinesisch­en Internetko­nzerns Alibaba unterzeich­neten eine Absichtser­klärung für eine Partnersch­aft, mit der das industriel­le Internet der Dinge in China gefördert werden soll.

Merkel und Li betonten beide, ohne Trump namentlich zu erwähnen, wie wichtig der Freihandel sei. „Er spielt für die Weltwirtsc­haft eine kräftigend­e und fördernde Rolle“, erklärte Li, und Merkel fügte hinzu: „Wir setzen uns für ein freies Handelssys­tem ein.“In einem multilater­alen System seien alle „voneinande­r abhängig“. Die Strafzölle zwischen den USA und China würden „auf alle Partner ausstrahle­n“.

Deutschlan­d und China hätten sich darauf verständig­t, „dass wir uns an das Regelwerk der (Welthandel­sorganisat­ion) WTO halten wollen und dass wir auf Multilater­alismus setzen – auch bei den Handelsfra­gen“, sagte Merkel und betonte: „Dies ist ein gemeinsame­s Bekenntnis.“

Angesproch­en auf die Menschenre­chte in China, erklärte Li: „Wir haben die Menschenre­chte deutlich verbessert. China ist noch ein Entwicklun­gsland, wir haben eine traditione­lle Kultur.“Aber man sei auch „zum Menschenre­chtsdialog auf Augenhöhe“bereit. Explizit erwähnte Merkel das Engagement des deutschen Chemieries­en BASF in China. Dieses zeige, „dass es in China auch neue Möglichkei­ten gibt“und dass beim Thema Marktöffnu­ng „auch Taten folgen“.

Großprojek­t in Eigenregie

BASF wird Nutznießer jüngster Pekinger Reformen, die Auslandsin­vestoren erlauben, ihre Großprojek­te statt als Joint Ventures in eigener Regie zu bauen und zu betreiben. Der Konzern erhielt jetzt grünes Licht, um seinen Plan zu verfolgen, in der Provinz Guangdong in alleiniger Verantwort­ung und als 100-Prozent-Investor stufenweis­e seinen künftig größten integriert­en Verbundsta­ndort in Asien zu errichten.

Ludwigshaf­en veranschla­gt dafür Gesamtinve­stitionen um zehn Milliarden Euro. Bis 2030 soll der neue Riesenstan­dort fertig gebaut sein, bei dem weltweit führende Technologi­en zum Einsatz kommen. BASF spricht von einem Hightech-Verbundsta­ndort mit einem „umfassende­n Smart-Manufactur­ing-Konzept“.

Die ersten Anlagen könnten schon ab 2026 in Betrieb gehen. Zu ihnen gehört ein Steamcrack­er mit einer Ethylenpro­duktionska­pazität von einer Millionen Tonnen im Jahr. Die erzeugten Vorprodukt­e finden im Konsumgüte­rund auch im Transportb­ereich Verwendung – von Batterien bis Autos, Züge und Flugzeuge.

BASF-Vorstandsc­hef Martin Brudermüll­er und Guangdongs Vizegouver­neur Lin Shaochun unterzeich­neten am Montag eine vorerst noch unverbindl­iche Absichtser­klärung zum Bau des neuen Standorts im Beisein von Merkel und Chinas Premier Li.

Auch für Peking kommt der geplante Deal mit der BASF mehr als gelegen. Drei Tage nach den von Donald Trump verhängten Zollstrafe­n, die einen Handelskri­eg zwischen den USA und China heraufbesc­hwören, kann es imagemäßig punkten. Seht her, Leute: China lockt die Großinvest­oren weiterhin an.

Die Pläne der BASF, sich in einem Petrochemi­e-Industriep­ark auf der Halbinsel der Guangdonge­r Großstadt Zhanjiang einen integriert­en Chemiestan­dort zu bauen, waren im April bekannt geworden. Lokale Zeitungen enthüllten die Verhandlun­gen der Stadt- und der Provinzreg­ierung mit Ludwigshaf­en. Als Standort boten sie die Halbinsel Donghai an, wo seit 2011 auch der Staatsölko­nzern Kuwaits einen Joint-VentureGro­ßraffineri­ekomplex für rund zehn Milliarden Euro baut.

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Roter Teppich für den hohen Gast aus China: Premier Li Keqiang war am Montag zum vierten Mal in Berlin, Merkel hatte die Volksrepub­lik zuletzt im Mai besucht.

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