WIEN
Beinahe jeden Tag staut es sich in Wien: Die Einfahrtsrouten der Stadt sind verstopft, es gibt kein Weiterkommen. Da kochen die Gemüter hoch – nicht nur die der Autofahrer, auch die der Politik.
Für das enorme Verkehrsaufkommen sind hunderttausende Pendler mitverantwortlich. „200.000 Autos schieben sich in der Früh nach Wien hinein und am Abend wieder hinaus“, kritisiert die Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne): „Die Blechlawine ist länger als die Strecke Wien–Rom.“
Tatsächlich pendeln täglich rund 260.000 Personen in die Hauptstadt. Den Großteil machen rund 188.000 Niederösterreicher aus. 25.200 kommen aus dem Burgenland. 90.000 Wiener wiederum pendeln aus der Stadt hinaus, so die Zahlen der Statistik Austria.
Dazu kommen laut einer im Jahr 2015 erschienenen Studie der Wiener Arbeiterkammer 480.000 Binnenpendler: Personen, die zwischen den Bezirksgrenzen wechseln. Die größten Anteile kommen aus den Bezirken Favoriten (47.362) und Donaustadt (43.745). Am häufigsten werden Arbeitsplätze in Innenstadtbezirken, Liesing, Favoriten und der Donaustadt angestrebt.
Während Wiener beim Rauspendeln zu etwa 78 Prozent das Auto wählen, fällt die Verkehrsmittelwahl in der Stadt zu 38 Prozent auf Öffis, 27 Prozent der Wege werden mit dem Auto absolviert. 407 Millionen Euro steckt die Stadt 2018 in den Ausbau des Öffi-Netzes. Um des Verkehrs Herr zu werden, wünscht sich Wien zusätzlich ein Ostregion-Ticket. Wie die Jahreskarte der Wiener Linien soll es für 365 Euro erhältlich sein. Niederösterreich winkte jedoch ab – die Länder seien nicht zu vergleichen. „Ich habe in den vergangenen Jahren oft gehört, was alles nicht geht“, sagt Vassilakou zum STANDARD: „Alle reden vom Öffi-Ausbau, keiner will ihn bezahlen. Beim 365-Euro-Ticket ist es genauso.“
Das Thema Verkehr spaltet aber nicht nur Wien und Niederösterreich, sondern auch die rot-grüne Koalition. Wenn es kein gemeinsames Ticket gibt, komme die Citymaut, drohte Vassilakou. Hier versperrt sich die SPÖ. „Ich kann versprechen, dass es keine Wiener Alleingänge geben wird“, so Bürgermeister Michael Ludwig: „Citymaut ist abgesagt.“
Dass jede vierte Person, die in Wien arbeitet, einpendelt, schaffe zwar Wertschöpfung am Standort, „verursacht aber auch hohe Kosten für die Stadt, weil die Pendler unsere Infrastruktur mitbenützen“, betont Wiens Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) zum STANDARD. So kämen von 778.000 Öffi-Jahreskartenbesitzer 70.000 nicht aus Wien. 19,5 Prozent aller KAVPatienten und 27,5 Prozent der AKH-Patienten pendeln ein, rechnet das Wirtschaftsressort vor. Bei den Finanzausgleichsverhandlungen stehe die Aufgabenorientierung daher ganz oben auf der Agenda. „Das Thema wird für alle Ballungszentren Österreichs immer wichtiger. Das Geld muss dorthin, wo die Leistung erbracht wird.“