Kernzone der Welterbestätte nicht verkleinern!
Streit um das Hochhausprojekt am Heumarkt: Offener Brief an die Unesco
Wir sehen die Aufrechterhaltung der Forderungen der Unesco als das einzig wirksame Mittel, um dem öffentlichen Interesse an den wertvollsten Räumen dieser Stadt gegenüber dem Gewinnstreben einiger weniger zum Durchbruch zu verhelfen. Nur das WHC kann bestimmen, welche Voraussetzungen für eine Streichung der Welterbestätte von der „Roten Liste“erfüllt sein müssen. Die von der Unesco seit 2012 gesetzten Höhenlimits (Bestandshöhe Hotel InterContinental = 39 m über Niveau) dürfen aus unserer Sicht keinesfalls aufgeweicht werden. Die Einhaltung dieser Limits kann auch keineswegs durch bloße Umschichtung der Bauvolumen erzielt werden, sondern nur durch deren substanzielle Reduktion.
Planungswillkür in Wien
Den in den Medien zitierten Vorschlag Herrn Wollers, die Kernzone der Welterbestätte zu verkleinern, halten wir für gänzlich indiskutabel. Der Raum des historischen Zentrums greift mit dem Ringstraßenbereich in die umliegenden Bezirke aus. Eine willkürliche Teilung dieses Gebiets nach Bezirksgrenzen würde die Wiener Realpolitik als Freibrief auffassen, der seit Jahren in der Stadt grassierenden Planungs- willkür auch unmittelbar in diesem Bereich von einmaligem Wert Tür und Tor zu öffnen. Die Anlage der Ringstraße umfasst den gesamten Bereich zwischen der barocken Innenstadt und den ebenfalls bis heute durch vorgründerzeitliche, teils barocke Baudenkmäler geprägten Rand der ehemaligen Vorstädte. Sie stellt die bedeutendste Leistung des Städtebaus auf dem Gebiet der Republik Österreich dar und genießt weltweite Würdigung als eine der größten einheitlichen städtebaulichen Anlagen überhaupt. Sie ist ein Musterbeispiel für die Eindämmung privater Finanzinteressen zugunsten des öffentlichen Wohls im modernen Städtebau. Sie ist Welterbe par excellence!
Die Stadt Wien hat seit 2001 mehrfach gezeigt, dass sie mit der Unesco keinen offenen Dialog anstrebt und die aus dem Welterbestatus resultierenden Schutzverpflichtungen nicht ernst nimmt. Der Wechsel des Bürgermeisters lässt nach den jüngsten Entwicklungen eine Fortsetzung der gleichen Politik mit ähnlichen Mitteln erwarten. Insbesondere machen wir darauf aufmerksam, dass in den Medien zitierte Aussagen des Verhandlungsführers der Stadt Wien, wie z. B. „dass eher die jetzige Situation [am Heumarkt] mit teils heruntergekommenen Berei- chen dem Welterbe mehr schadet als das geplante Projekt“, genau auf der Linie der bisherigen Scheinargumente der Wiener Stadtregierung liegen. (...)
Die Bundesregierung ist ihrerseits ihrer Verpflichtung, die Einhaltung der Welterbekonvention durch die Stadt Wien zu garantieren, nicht nachgekommen. Die mit dem Regierungswechsel Ende 2017 sich andeutende Haltungsänderung in dieser Frage bleibt bisher ein bloßes Versprechen, dem Taten folgen müssen. (...)
Warnung vor Versprechen
Wir als versammelte unabhängige Institutionen und ExpertInnen warnen daher dringend davor, sich auf Versprechungen und Scheinargumente einzulassen, die uns in dieser bereits über fünf Jahre dauernden Auseinandersetzung nur allzu gut bekannt sind. Dieser an Unesco-Direktorin Mechthild Rössler gerichtete Offene Brief wurde von zahlreichen Personen aus dem In- und Ausland sowie nationalen und internationalen Institutionen unterzeichnet. Er bezieht sich auf den Streit um ein von einem Investor geplanten Hotelneubau am Heumarkt. Dieses würde den Canaletto-Blick vom Belvedere auf die Innenstadt beeinträchtigen. Die Unesco droht mit der Aberkennung des Weltkulturerbes. Langfassung des Briefes und Unterzeichnerliste auf: p derStandard.at/Meinung