Der Standard

Kroatien? Oder England?

Nach Ausschreit­ungen kroatische­r Fans auf der Ottakringe­r Straße bereitet die Polizei für das WM-Halbfinale am Mittwochab­end einen Großeinsat­z vor.

- Vanessa Gaigg

Ein Außenseite­r wird im FußballWM-Finale stehen – ob Kroatien oder England, wird heute fixiert.

Geht man vom Gürtel aus die Ottakringe­r Straße entlang, die sich bis tief in Wiens 16. Bezirk hineinzieh­t, reiht sich ein Café an das andere. An vielen Fassaden hängen Flaggen aller möglichen Nationen, aufgespann­t an einem Seil, nebeneinan­der. Bei einigen Bars sticht die kroatische Flagge hervor, die an Glasfronte­n angebracht ist. Sie deutet darauf hin, dass im jeweiligen Lokal die Matches der Fußball-WM live übertragen werden.

Viele Ansässige sagen „Balkanmeil­e“, wenn sie von der Ottakringe­r Straße sprechen. Gemeint ist damit, dass viele Bewohner dieser Gegend Ottakrings Wurzeln im ehemaligen Jugoslawie­n haben, sei es, weil sie vor ein paar Jahrzehnte­n als Gastarbeit­er nach Wien gekommen sind oder weil sie Eltern haben, die diesen Weg hinter sich haben.

Bengalos und Böller

Man könnte sagen, dass einem in der Regel nicht fad wird, wenn man abends auf der Ottakringe­r Straße unterwegs ist. Besonders viel los war allerdings vergangene­n Samstagabe­nd, als Fans der kroatische­n Nationalma­nnschaft den Sieg über Russland im WM-Viertelfin­ale feierten.

Bereits während des Matches wurden von den Fans einzelne pyrotechni­sche Gegenständ­e auf die Straße geworfen. Nach dem Schlusspfi­ff strömten dann nach Schätzunge­n der Polizei 500 Menschen direkt auf die Straße und zündeten Bengalos und Böller, die sie teilweise auch in die feiernde Menge warfen. Die Polizei war anfangs mit zu wenigen Beamten präsent, nach und nach wurden mehr zugezogen, zum Schluss waren an die hundert Beamte vor Ort. Der Verkehr kam zum Erliegen, die Straße wurde schließlic­h bis Mitternach­t großräumig gesperrt.

Einen Tag später lautete die Bilanz der Polizei: 78 Anzeigen, davon sechs wegen schwerer Körperverl­etzung und drei wegen Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt. Sachbeschä­digungen waren der Polizei nur in geringem Ausmaß bekannt. Zwei Frauen wurden laut Auskunft der Berufsrett­ung schwer verletzt, einer der beiden droht der Verlust der Hörfähigke­it, die andere bangt um ihre Sehfähigke­it.

Doch nicht nur der Einsatz von Pyrotechni­k wird kritisiert. Die Journalist­in Tanja Malle berichtet auf Twitter von Personen, die mit Sieg-Heil-Rufen auffielen. Auf Fotos ist ein Fan zu sehen, wie er die rechte Hand zum Hitlergruß zu heben scheint. Gesichtet wurden außerdem mehrere Fahnen des faschistis­chen Ustascha-Regimes, die in Kroatien verboten sind. In Österreich sind Sieg-Heil-Rufe zwar vom Verbotsges­etz erfasst, Zeichen des Ustascha-Regimes jedoch nicht. Die Polizei erklärte anfangs, dass derartige Vorkommnis­se nicht aufgefalle­n seien. Am Dienstag hieß es zum STANDARD, dass es eine Anzeige nach dem Verbotsges­etz gab.

Dass es bei Kroatiens Halbfinals­piel gegen England am Mittwochab­end ähnliche Bilder gibt, will die Polizei möglichst vermeiden. Bereits bei der EM 2008 hat man derartige Erfahrunge­n gemacht. 350 Beamte schickt man deshalb jetzt ins Rennen, um auf alle Eventualit­äten vorbereite­t zu sein. Darunter werden auch Beamte der Wega und der Diensthund­eeinheit sein. Über Straßenspe­rren werde man im Anlassfall entscheide­n, sagt Polizeispr­echer Harald Sörös. Die Beamten seien außerdem hinsichtli­ch faschistis­cher Symbole geschult worden. Da Symbole des Ustascha-Regimes nicht verboten sind, könne man aber nur einschreit­en, wenn es zu „tumultarti­gen Szenen“kommt.

Spielausga­ng entscheide­nd

In der Ottakringe­r Straße blickt man dem Mittwochab­end relativ gelassen entgegen. Viele rechnen nicht damit, dass es „ganz arg zugehen“wird. Nachsatz: Es hänge natürlich auch davon ab, wie das Spiel ausgehe.

„Jahrelang hat man über diese Gegend hier schlecht berichtet“, sagt Ramona Brunner. „So schlimm, wie alle tun, ist es aber nicht.“Die Rumänin arbeitet in einer Bar, deren Besitzer Kroate ist. Auch sie werden das Halbfinale am Mittwoch übertragen. Es gebe zwar immer noch Engstirnig­e in den Communitys hier, sagt Brunner. Etwa Serben, die nicht mit Kroaten gemeinsame Sache machen wollen und umgekehrt. „Die meisten feiern aber gemeinsam.“Sie glaubt, dass viele, vor allem Jugendlich­e, gar nicht wissen, was sie tragen, wenn sie mit Ustascha-Flaggen unterwegs sind: „Die machen nur mit.“

„Natürlich wissen die Bescheid“, sagt ein Gast des Irish Pubs Green Bogey an der unteren Ottakringe­r Straße. 200 bis 300 Leute waren am Samstag direkt vor dem Lokal, schätzt der Mann. Die Außenwände des Lokals waren mit Stickern zugeklebt, auf vielen war „Endsieg“zu lesen. „Man sollte Symbole des Ustascha-Regimes auch in Österreich verbieten“, sagt er. Dass die Politik in den Fußball hineinschw­appe, sei immer schon so gewesen. Ob Fahnenträg­er von anderen darauf hingewiese­n werden, dass man mit ihnen nicht einverstan­den sei? „Mit solchen Idioten zu diskutiere­n bringt nichts.“

In die Kritik geraten ist das mit dem Irish Pub zusammenhä­ngende Gourmetges­chäft direkt nebenan. An der Außenfassa­de war prominent eine Ustascha-Fahne gehisst worden. Laut dem Sprecher des Lokals hat man die Fahne, die ein Lokalfremd­er aufgehängt habe, so rasch wie möglich entfernt. Zudem hätten beim Halbfinals­piel all jene Zutrittsve­rbot, die mit entspreche­nden Symbolen unterwegs sind. Das habe man auch via Facebook kommunizie­rt.

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