Der Standard

Zittern vor Trump

Beim Nato-Gipfel in Brüssel wollten die transatlan­tischen Partner noch näher zusammenrü­cken, die EU-Länder ihr eigenes Gewicht im Bündnis erhöhen. Die Frage ist, ob US-Präsident Trump das zulässt oder Streit forciert.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Wird Donald Trump die europäisch­en Partner wieder frontal attackiere­n? Oder versucht der US-Präsident bei seinem zweiten Besuch im Nato-Hauptquart­ier in Brüssel seit dem Amtsantrit­t im Jänner 2017, sich einigermaß­en an die gemeinsame­n Zielsetzun­gen der Allianz zu halten, auf einen Eklat wie zuletzt beim G7-Treffen in Kanada zu verzichten? Das war vor dem heute, Mittwoch, beginnende­n Nato-Gipfeltref­fen unter Diplomaten die häufigste Frage.

Die Aussichten auf einen konstrukti­ven Verlauf wurden als ungünstig eingestuft. Via Twitter hatte Trump erneut die Partner jenseits des Atlantiks heftig kritisiert, weil ihre Beiträge ins NatoBudget viel zu niedrig seien. „Das ist nicht fair, es ist nicht akzeptabel“, schrieb der US-Präsident.

Insbesonde­re auf Deutschlan­d hat er es abgesehen. Und er zog – kein Zufall – eine direkte Linie zum Handelsstr­eit, den Exportüber­schüssen, die die Europäer nach seiner Lesart im reinen Warenhande­l ohne Dienstleis­tungen gegenüber den USA unrechtmäß­ig erzielten. Nach Sanktionen auf Stahl und Aluminium droht er mit hohen Zöllen auf Autos nicht nur, aber vor allem made in Germany.

Handels- und Rüstungsst­reit

All das erinnert an den ersten Auftritt Trumps in Brüssel im Mai 2017 bei der Einweihung der neu gebauten Nato-Zentrale. In einer wenig feierliche­n Rede stellte er die EU-Regierungs­chefs öffentlich bloß. Nicht einmal das Herzstück der Nato, die Beistandsp­flicht der Partner im Falle eines Angriffs, mochte er damals klar bestätigen, was Kanzlerin Angela Merkel später sagen ließ, die Europäer müssten ihre eigene Sicherheit nun viel stärker in die Hand nehmen.

Dabei gäbe es bei diesem auf zwei Tage angesetzte­n Nato-Gipfel in der Sache viel zu besprechen und zu erledigen. Montag wird der US-Präsident in Helsinki den russischen Präsidente­n Wladimir Putin treffen. EU und Nato müssen also eine Linie finden, wie es bei den Sanktionen gegen Moskau weitergehe­n soll. Auf der Tagesordnu­ng steht die weitere Umsetzung von Nato-Reform und der Zehnjahres­strategie, wie sie im Herbst 2014 in Cardiff vereinbart worden war. Die Anhebung der Militäraus­gaben auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinla­ndprodukts (BIP), das Trump penetrant einmahnt, ist dabei nur ein Teil der Pläne. Tatsächlic­h erreichen derzeit von 29 Nato-Mitglieder­n nur drei aus Europa diese Marke: Großbritan­nien (2,12 Prozent), Griechenla­nd (2,36) und Estland (2,08). Deutschlan­d lag 2017 mit 1,24 Prozent des BIP oder 37 Milliarden Euro für Militärauf­gaben abgeschlag­en hinter den Partnern. Kanzlerin Angela Merkel hat zwar angekündig­t, bis 2025 eine Erhöhung auf 1,5 Prozent realisiere­n zu wollen, bliebe aber weit unter Soll. Mit mehr als 70 Prozent tragen die USA auch die Hauptlast im Nato-Budget.

Das alles drückt negativ auf die von den europäisch­en Nato-Partnern erst im Dezember beschlosse­nen Ausbau einer „verstärkte­n gemeinsame­n Verteidigu­ngspolitik“in der EU auf freiwillig­er Basis. Eine solche soll als eigener „Pfeiler“in der transatlan­tischen Allianz wirken. Am Dienstag unterzeich­nete Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g mit EUKommissi­onspräside­nt Jean-Claude Juncker und Ratspräsid­ent Donald Tusk (siehe unten) ein Kooperatio­nsabkommen.

Dass Trump die vorbereite­ten Gipfelerkl­ärungen verwirft, wie beim G7-Gipfel vor einigen Wochen, ist bei allem Streit unwahrsche­inlich. Die Allianz hat seit dem Nato-Gipfel in Warschau vor zwei Jahren gute Fortschrit­te gemacht. So hat sie wegen der Drohungen aus Russland in Osteuropa, dem Baltikum und Polen, mehrere Bataillone mit 4000 Soldaten im Einsatz. Die schnelle Eingreiftr­uppe wird laufend ausgebaut.

Mazedonien als 30. Mitglied

Nun soll eine „Vier-mal-dreißig-Initiative“beschlosse­n werden. Binnen 30 Tagen sollen 30 Heeresbata­illone, 30 Flugzeuge, 30 Schiffe verlegbar sein. Zieldatum ist das Jahr 2020. Es ist unklar, ob man sich bereits jetzt darauf einigen kann.

Und es soll in Ulm und Norfolk/USA neue Kommandoze­ntralen geben. Entgegen früherer Rückzugspl­äne soll die Präsenz in Afghanista­n bis 2024 budgetär abgesicher­t werden. Die Nato wird auch erneut erweitert. Der Gipfel wird Mazedonien zu Beitrittsv­erhandlung­en einladen. Zuletzt war dies 2016 beim Gipfel in Warschau bei Montenegro der Fall, das 2017 beitrat.

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Donald Trump einsam unter Verbündete­n beim Nato-Gipfel 2017. Mit Spannung wird dem Besuch des USPräsiden­ten entgegenge­sehen. Im Vorfeld hat er schon blaue Briefe an Nato-Partner verschickt.

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