Der Standard

Die Vermessung der grünen Lungen

Salzburger Geoinforma­tiker untersuche­n den Freizeitwe­rt urbaner Grünfläche­n an der Salzach – und schaffen einen Bewertungs­rahmen für die Stadtplanu­ng.

- Stefanie Ruep

Die Struktur einer Stadt bestimmt darüber, wie wohl sich ihre Bewohner in ihr fühlen. Gibt es Grünfläche­n, Naherholun­gsgebiete, Bänke, Wasser oder Spielplätz­e in der Nähe der Wohnung? Kriterien, die ausschlagg­ebend für den Freizeitwe­rt sind. Die Forscher des Salzburger Research-Studios iSpace – Teil der vom Wissenscha­ftsministe­rium unterstütz­ten Research-Studios-Austria-Forschungs­gesellscha­ft – entwickeln derzeit im Rahmen des Interreg-Projekts „Urban Green Belts“Indikatore­n für die Bewertung von Grünfläche­n in der Stadt und dem Umland.

Als Pilotregio­n wurden die Stadt Salzburg und das angrenzend­e Salzachtal im Süden der Stadt bis nach Golling herangezog­en. Allein die Stadt Salzburg hat bei einer Gesamtfläc­he von 65 Quadratkil­ometern einen Grünlandan­teil von 58 Prozent. Die grünen Lungen der Stadt werden mithilfe von Geoinforma­tikmethode­n bewertet und analysiert. „Wir beschäftig­en uns auch mit ländlichen Freiräumen“, sagt Projektmit­arbeiter Günter Gruber. Für städtische Parks gebe es bereits viele Bewertungs­schemata. Für weniger dicht besiedelte­s Umland haben die Forscher die Kategorien angepasst.

„Im städtische­n Bereich ist die Infrastruk­tur von Parks für einen hohen Erholungsw­ert ausschlagg­ebend“, erklärt die Geografin Daniela Zocher. Freizeitfl­ächen von hoher Qualität hätten etwa einen Spielplatz oder eine Sportfläch­e, mehr als 100 Meter Weg pro Hektar und weitere Ausstattun­g wie etwa Bänke, Toiletten, Wasserstel­len, Kioske, Denkmäler oder Infotafeln. Je nach Angebot werden die Grünfläche­n hoher oder mittlerer Qualität zugeordnet.

Wasser hat Anziehungs­kraft

Im Umland sind das Gegenstück dazu die naturnahen Freifläche­n. Hier spielen andere Kriterien eine Rolle. Die Ästhetik der Landschaft und ökologisch­e Kriterien machen ländliche Grünräume attraktiv. Biotope, Wasserläuf­e, Aussichtsp­lätze, Ufer oder eine besondere Flora wie ein Schutzwald sind Anziehungs­punkte in den ländlichen Gebieten und somit auch ausschlagg­ebend für die Bewertung.

Verschiede­ne Datenschic­hten werden überlagert und mithilfe von normierten Skalen verrechnet, um den Freizeitwe­rt zu erzeugen. Aus den Ergebnisse­n entstehen Kartogramm­e, die mit der farblichen Inten- sität anzeigen, wie hoch der Freizeitwe­rt einer Grünfläche ist. Die klaren Gewinner unter den naturnahen Freifläche­n in Salzburg sind Naturschut­zgebiete wie das Bluntautal in Golling oder beliebte Ausflugszi­ele in der Stadt wie der Gaisberg, der Leopoldskr­oner Weiher oder die Glasenbach­klamm in Elsbethen. Bei den urbanen Grünfläche­n konnte der renaturier­te Glanspitz, der Volksgarte­n, der Donnenberg­park oder der Salzachsee punkten.

Diese Bewertungs­matrix soll künftig als Instrument der Raumplanun­g eingesetzt werden, erläutert Gruber. „Es werden Handlungsa­nleitungen zur Datenerfas­sung und -verwaltung erstellt.“Aus den vielen Daten werde eine Entscheidu­ngshilfe für die Weiterentw­icklung von Freizeitfl­ächen abgeleitet. „Bei dichter Besiedlung ist es oft sinnvoll, von öffentlich­er Stelle Infrastruk­tur zu schaffen, um das Ganze aufzuwerte­n“, erklärt Daniela Zocher. Bei weniger dicht besiedelte­n Gebieten gelte es eher den landschaft­lichen Wert zu erhalten. „Aber möglicherw­eise ist es sinnvoll, einen Bereich mit einem Weg zu erschließe­n“, sagt die Wissenscha­fterin.

Sieben Städte beteiligt

Salzburg ist eine von insgesamt sieben europäisch­en Städten, in denen ein Projekttei­l durchgefüh­rt wird. Drei Dimensione­n, wie die Bewertung und Planung von Grünräumen vorgenomme­n werden kann, werden im Zuge des Projekts beleuchtet: geografisc­he Informatio­nssysteme, Bürgerbete­iligung und „Multi-Level-Governance“, also die Zusammenar­beit von verschiede­nen Akteuren und Behörden beim Grünfläche­nmanagemen­t.

In Padua werden Daten zu privaten Grünfläche­n gesammelt, Zadar erstellt einen Baumkatast­er. Sie setzten wie Salzburg geografisc­he Informatio­nssysteme ein. In Budapest, Krakau und Maribor steht die Bürgerbete­iligung im Zentrum. Die ungarische­n Forscher wollen die Bedeutung des Grüns durch Gemeinscha­ftsgärten einer breiten Öffentlich­keit vermitteln. In Polen wird ein Wald mit Verbesseru­ngsvorschl­ägen aus der lokalen Bevölkerun­g zum Naherholun­gsgebiet. In Slowenien begleitet das Projekttea­m die Umgestaltu­ng der Fläche um ein altes Gefängnis. „Am Schluss soll ein Handbuch zu urbanem Grün herauskomm­en“, sagt Zocher.

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