Der Standard

Vertrauen, dass was weitergeht

Homeoffice ist ein Trend, auf den sich viele Vorgesetzt­e erst einstellen müssen. Sie haben nicht mehr im Blick, wer woran arbeitet. Wie können sie sichergehe­n, dass Mitarbeite­r produktiv sind?

- Lisa Breit

Abseits von lärmenden Kolleginne­n und Kollegen dem eigenen Arbeitsrhy­thmus folgen: Homeoffice wird immer beliebter. Bei einer weltweiten Umfrage von MindMetre gaben 51 Prozent der Befragten an, mindestens einen Tag in der Woche zu Hause zu arbeiten. In Österreich nutzen bereits 54 Prozent die eigenen vier Wände als Arbeitspla­tz, so das Ergebnis einer vom Bürodienst­leister Regus in Auftrag gegebenen Studie.

Für Chefs bringt das gewisse Herausford­erungen mit sich. Sie sehen nicht mehr, wann Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r kommen und gehen. Im Blick zu haben, wer gerade woran arbeitet, ist quasi unmöglich. Das macht viele unrund. Die Befürchtun­g: dass es sich jemand zu Hause gemütlich macht. Was verhindert, dass das passiert, hat ein Forscherte­am der FerdinandP­orsche-Fern-FH erhoben. Mittels OnlineFrag­ebögen untersucht­en Manuel Brugger und Ingrid Wahl, wie Vorgesetzt­e dafür sorgen können, dass Heimarbeit­er freiwillig kooperiere­n. Im Fokus standen die Führungsme­thoden Vertrauen versus Machtausüb­ung. Was ist effektiver?

„Beides führt zu Kooperatio­n“, sagt Ingrid Wahl, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin im Fach Betriebswi­rtschaft & Wirtschaft­spsycholog­ie. Aber: „Diese Kooperatio­n hat eine völlig andere Qualität.“Werden sie ständig angerufen und müssen Auskunft geben, kooperiere­n Mitarbeite­r wenig überrasche­nd eher widerwilli­g. „Sie tun das nur, weil sie Angst vor Konsequenz­en wie einer Entlassung haben.“Im Fachjargon ist von „erzwungene­r Kooperatio­n“die Rede.

Aus eigenem Bedürfnis

Die Folgen sind ständige Pausen und der Versuch, Aufgaben mit möglichst wenig Aufwand zu erledigen. „Mehr Kontrolle hilft da auch nicht mehr“, so Wahl. „Wenn sie jede Stunde angerufen werden, kommt das bei Mitarbeite­rn nicht gut an. Sie werden versuchen, mögliche Schlupflöc­her in den Kontrollme­chanismen zu finden.“

Ganz anders, wenn Chefs einen Vertrauens­vorschuss geben. Wenn sie sich zuversicht­lich zeigen, dass die Arbeit auch daheim gewissenha­ft erledigt wird. Dann wird freiwillig kooperiert. „Man will ein gutes Ergebnis erzielen, weil es einem ein Bedürfnis ist.“

Ihre Studienerg­ebnisse haben die Wissenscha­fter in einem Online-Experiment überprüft. Die Vorgangswe­ise war diesmal, die Arbeitssit­uationen zu simulieren. In einem Szenario bekommt der Proband regelmäßig Kontrollan­rufe, in einem anderen wird er in Ruhe gelassen – er erledigt seine Arbeit bereitwill­iger. „Wenn Führungskr­äfte nur gewisse Ziele und Deadlines vorgeben, funktionie­rt das eben viel besser, als wenn sie sagen: Du musst von neun bis fünf da sitzen und arbeiten“, erklärt Wahl.

Die Wissenscha­fterin räumt aber auch ein, dass die Resultate nur für sogenannte Wissensarb­eiter gelten könnten, die ihre Arbeit freier einteilen können. „Jemand, der an der Kassa arbeitet, muss da sein, sonst funktionie­rt das nicht.“Ein Angestellt­er in einem Architektu­rbüro hingegen kann möglicherw­eise autonomer arbeiten.

Unterstütz­ung gefragt

Durch Transparen­z, Fairness und Unterstütz­ung könnten die Führungskr­äfte Vertrauen schüren, sagt Wahl. Wichtig sei, „dass klar ist, wer was erledigt“. Auch müsse grundsätzl­ich allen im Team, und nicht nur manchen, die Möglichkei­t gegeben werden, sich zum Arbeiten in die eigenen vier Wände zurückzuzi­ehen. Führungskr­äfte müssten Mitarbeite­rn auch im Homeoffice weiterhelf­en. „Es ist gut, sich melden zu können, wenn etwas unklar ist.“

Für ihre Studie bedienten sich die Forscher des Slippery-Slope-Modells, das aus der Steuerpsyc­hologie kommt. Es unterschei­det zwischen erzwungene­r und freiwillig­er Steuerehrl­ichkeit. Kontrollie­rt und sanktionie­rt der Staat hart, zahlen die Bürger zwar Steuern, jedoch widerwilli­g. Setzt er auf Vertrauen, sagt den Menschen, wohin das Geld fließt und lässt sie mitentsche­iden, zahlen sie nachweisli­ch lieber.

Auf Vertrauen zu setzen ist also besser – wie im Homeoffice. Das scheint vielen Führungskr­äften aber noch schwerzufa­llen. „Sie werden sich daran gewöhnen müssen“, sagt Wahl. Die Wissenscha­fterin prognostiz­iert, dass das Homeoffice künftig noch stärker an Bedeutung gewinnt. Immerhin hat es einige Vorteile: Es spart Zeit, erhöht die Flexibilit­ät und fördert die Konzentrat­ion. Heimarbeit­er sind – wie eine Untersuchu­ng der Stanford University zeigt – sogar produktive­r.

 ??  ?? Arbeiten in den eigenen vier Wänden: In vielen Jobs ist das längst möglich. In Österreich macht laut einer Umfrage bereits jeder Zweite regelmäßig Homeoffice.
Arbeiten in den eigenen vier Wänden: In vielen Jobs ist das längst möglich. In Österreich macht laut einer Umfrage bereits jeder Zweite regelmäßig Homeoffice.

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