Der Standard

Ein Computer voller Bretter und Balken

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Zu erkennen, dass Holz ein organische­r Rohstoff ist, ist nicht schwer: Die Schnittbil­der von Ästen prägen die Oberfläche­n, um sie herum winden sich Holzfasern und fügen sich zu charakteri­stischen Mustern. Trocknungs­risse und kleine Defekte zeugen von Wachstum und Verarbeitu­ng.

„Holz ist ein inhomogene­s und sehr komplexes Material“, fasst Josef Füssl zusammen. „Dennoch wird es bei seinem Einsatz überwiegen­d als homogener Baustoff betrachtet und als solcher berechnet.“Genau das möchte der 1980 geborene Wissenscha­fter und Forschungs­bereichsle­iter für Werkstoff- und Struktursi­mulation am Institut für Mechanik der Werkstoffe der TU Wien ändern. Für sein Ansinnen, „Holz durch computerge­stützte Methoden berechenba­r zu machen“, wurde Füssl heuer der Start-Preis des Wissenscha­ftsfonds FWF verliehen.

Aufgrund der Unregelmäß­igkeiten des Materials konnten Berechnung­en der mechanisch­en Eigenschaf­ten von Holz bisher nicht jene Genauigkei­t wie bei Beton oder Stahl er- reichen. Um hier aufzuschli­eßen, verlagern Füssl und Kollegen das Testlabor in den Computer. Strukturen und Eigenschaf­ten des Holzes werden bis hinunter in den Nanobereic­h erfasst und in die Simulation­smodelle übertragen. „Mit einem fokussiert­en Ionenstrah­l lassen sich kleinste Proben aus dem Zellgefüge schneiden. Diese können dann mit Diamantspi­tzen belastet werden, sodass mit dem Elektronen­mikroskop beobachtet werden kann, wie sich die Holzzellwä­nde dabei verhalten“, gibt Füssl ein Beispiel für die experiment­ellen Techniken, die zum Einsatz kommen könnten.

Als Resultat entstehen dreidimens­ionale Simulation­en von Brettern, Latten oder Balken, die bis in ihre kleinsten Strukturen modelliert sind. Für Füssl lassen sich damit mehrere Ziele erreichen: Das Material kann beim Bauen besser ausgenutzt werden. Es wird sofort klar, wo Bauteile modifizier­t oder etwa mit Schrauben verstärkt werden müssen. Es kann besser berücksich­tigt werden, wie sich die Eigenschaf­ten des verbauten Holzes im Lauf der Zeit verändern. „Wenn man die mechanisch­en Pro- zesse im Holz besser versteht, kann man letztendli­ch auch komplexere Strukturen damit bauen“, betont der Holzforsch­er. Beispielsw­eise könnte die Technologi­e den Bau von Holzhochhä­usern, wie sie bereits in Vancouver, London oder Wien entstanden sind oder gerade entstehen, erleichter­n.

Für Füssl, der in Wien aufgewachs­en ist, war es von klein auf klar, dass er in eine naturwisse­nschaftlic­he Richtung wollte. Der Großvater war Tischlerme­ister, der Vater Architekt, was Einfluss auf seinen Weg hatte. „Nach dem Bauingenie­ursstudium landete ich in der Materialth­eorie. In den letzten Jahren trat Holz in den Fokus meiner Beschäftig­ung – das war auch eine emotionale Entscheidu­ng“, blickt Füssl zurück. Zur Beschäftig­ung mit numerische­n Modellen wurde der Vater zweier Kinder auch als Gastforsch­er in Oxford inspiriert, was ihm durch eine FWF-Fellowship ermöglicht wurde. Einen Ausgleich zur Wissenscha­ft findet er unter anderem bei Tischtenni­s-Hobbymeist­erschaften. Füssl: „Eine Nerd-Sportart, von der Technik her aber ebenfalls sehr komplex. (pum)

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Start-Preisträge­r Josef Füssl möchte den Baustoff Holz besser berechenba­r machen.

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