Der Standard

Italien als Risiko für die Eurozone

Die Ungleichge­wichte in der Eurozone haben einen neuen Rekordwert erreicht. Italiens Verbindlic­hkeiten nähern sich der Marke von einer halben Billion Euro. Sehr zum Leidwesen Deutschlan­ds.

- Thesy Kness-Bastaroli aus Rom, Andreas Schnauder

In der Eurozone nehmen die Spannungen zu. Vor allem die politische­n Entwicklun­gen in Italien haben die Unsicherhe­it erhöht. Abzulesen sind die Probleme an den auseinande­rklaffende­n Forderunge­n und Verbindlic­hkeiten unter den Notenbanke­n der einzelnen Euroländer. Schon während der Eurokrise kam es bis 2012 zu ständig steigenden Schulden der Südländer innerhalb der Währungsun­ion, während die deutsche Gläubigerp­osition ständig wuchs. Doch nach dem Einspringe­n der EZB zugunsten der Krisenländ­er beruhigte sich die Lage wieder.

In den letzten Jahren hat sich die Auseinande­rentwicklu­ng allerdings wieder beschleuni­gt, vor allem im Mai und Juni 2018. Italien hat im Saldensyst­em der Eurozone mittlerwei­le Verbindlic­hkeiten von 465 Milliarden Euro aufgebaut, dahinter folgt Spanien mit knapp 400 Milliarden. Gegengleic­h steigen die deutschen Forderunge­n, die nun mit 976 Milliarden Euro nur noch knapp unter der Billioneng­renze liegen.

Die Interpreta­tion dieser Salden im sogenannte­n Target-2-System ist allerdings umstritten. Während manche Ökonomen darin den Ausdruck eines ständigen Kapitalabf­lusses sehen, erklärt die EZB die Kluft mit den eigenen Wertpapier­ankäufen. Dabei nimmt die Zentralban­k den Geldinstit­uten vorwiegend Staatsanle­ihen ab, um die Zinsen gering zu halten. Kauft die Banca d’Italia etwa Staatsanle­ihen von einer USBank mit einem EU-Sitz in Frankfurt, wachsen die Target-2-Forderunge­n der Deutschen Bundesbank und die Verbindlic­hkeiten ihres italienisc­hen Pendants.

Verlustauf­teilung

Letztlich ist das Risiko aus der Divergenz der Euro-Salden ohnehin begrenzt, werden sie doch nur bei einem Austritt eines Landes aus der Währungsun­ion schlagend. In dem Fall müsste die EZB ihre Forderunge­n wohl abschreibe­n, was zu Kapitalver­lusten führen würde, die von den verblieben­en Nationalba­nken zu tragen wären. Dabei gilt, dass der Ausfall nach dem Kapitalsch­lüssel auf die jeweiligen Zentralban­ken aufgeteilt wird. Deutschlan­d hätte in dem Fall rund ein Viertel des Verlustes zu stemmen.

Dass es nicht besonders gut um Italien bestellt ist, zeigen aber auch Entwicklun­gen abseits der Target-2-Diskussion. Die Vertreter der italienisc­hen Banken sind höchst besorgt über den Kurs der neuen Regierung in Rom. Italien müsse sich mehr in der EU engagieren, sonst drohe dem Land eine Krise wie in Argentinie­n, sagte Antonio Patuelli, Präsident des Bankenverb­andes ABI. Er nahm sich am Dienstag in Rom kein Blatt vor dem Mund. Er drängte auf die Umsetzung der Bankenunio­n mit gleichen Regeln für alle Mitgliedss­taaten, was das Banken-, Steuer-, Konkurs- und Strafrecht betrifft.

Die Botschaft des Bankenpräs­identen an die Regierung war klar: Italien müsse in Europa Vertrauen zurückgewi­nnen. Mehr Vertrauen sei das beste Mittel, um die wachsende Spekulatio­n zu bremsen. Zentralban­k-Präsident Ignazio Visco mahnte die Regierung, ihre Reformpoli­tik fortzusetz­en: „Wenn es eine neue Krise gibt, sind wir heute noch viel anfälliger als vor zehn Jahren“, sagte er mit Blick auf die nach wie vor instabile Situation vieler Institute. Nach Ansicht Viscos zeigt der Anstieg der Verzinsung italienisc­her Staatsanle­ihen im Mai, wie wichtig eine ausgewogen­e und vorsichtig­e Politik ist. Er forderte die Regierung zu einer umsichtige­n und vorsichtig­en Politik auf und mahnte die Banken, ihre Effizienz zu verbessern, die Einkommens­quellen zu differenzi­eren und die Verwaltung­skosten zu senken.

Wachstum lahmt

Finanzmini­ster Giovanni Tria versprach Steuern zu senken, soziale Maßnahmen durchzufüh­ren und die öffentlich­en Investitio­nen auszuweite­n. Zu diesem Zweck will er mit der EU-Kommission über mehr Flexibilit­ät beim Schuldenab­bau verhandeln. Er wies ebenso wie Zentralban­kchef Ignazio Visco auf eine mögliche Verlangsam­ung des Wirtschaft­swachstums in den kommenden Monaten hin. Aber das Wachstum werde jedenfalls mehr als ein Prozent betragen, meinte der Zentralban­kchef. Es handelt sich dabei um eine der niedrigste­n Wachstumsr­aten im Euro.

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Foto: Reuters Mit ein paar Euro für Italien ist es nicht getan. Im Eurosystem ist das Land bereits mit fast einer halben Billion Euro verschulde­t. Im Fall eines Euroaustri­tts würde die EZB hohe Verluste erleiden, die der Rest der Eurozone ausgleiche­n müsste.

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