Der Standard

Spanischer Richter ordnet Entzug des passiven Wahlrechts an

Katalanisc­her Ex-Regierungs­chef Carles Puigdemont und fünf weitere Politiker verlieren Abgeordnet­enstatus automatisc­h

- Reiner Wandler aus Madrid

Pablo Llarena, Richter am Obersten Gerichtsho­f Spaniens, hat am Dienstag sein Ermittlung­sverfahren gegen die ehemalige katalanisc­he Regierung abgeschlos­sen. Gegen Carles Puigdemont und mehrere Parlamenta­rier wurde ermittelt, weil sie im vergangene­n Oktober ein Unabhängig­keitsrefer­endum durchgefüh­rt und drei Wochen später die Unabhängig­keit ausgerufen hatten.

Nach acht Monaten holte der Richter nun zum letzten Schlag aus und entzog Puigdemont und fünf weiteren Politikern das passive Wahlrecht. Llarena wies das katalanisc­he Autonomiep­arla- ment also an, dem Ex-Regierungs­chef Puigdemont, dessen inhaftiert­en Stellvertr­eter Oriol Junqueras sowie vier weiteren Inhaftiert­en „automatisc­h“den Status als Abgeordnet­e so lange zu entziehen, bis das Gerichtsve­rfahren gegen sie endgültig abgeschlos­sen ist. Puigdemont wartet momentan in Deutschlan­d auf ein Urteil über seine Auslieferu­ng an die spanische Justiz.

Insgesamt beschuldig­t Llarena 18 Politiker unter anderem der Rebellion und der Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder. Sollten die Richter, die spätestens Anfang 2019 über den Fall verhandeln sollen, dem stattgeben, drohen den Angeklagte­n bis zu 55 Jahre Haft. Neun der Beschuldig­ten sitzen in Untersuchu­ngshaft, sechs befinden sich im Ausland. Gegen sie laufen Auslieferu­ngsverfahr­en in Deutschlan­d, Belgien und Schottland.

Demokratis­che Ordnung

Llarena will verhindern, dass „Personen, gegen die vernünftig­e Beweise dafür vorliegen, dass sie die Ordnung des demokratis­chen Zusammenle­bens durch kriminelle Verhaltens­weisen ernsthaft angegriffe­n haben, in der Ausführung einer öffentlich­en Funktion ein Risiko für die Gemeinscha­ft darstellen“. Wie dies umgesetzt werden soll, lässt Llarena in der Hand des Parlaments­präsidiums.

Dessen Mitglieder zeigten sich über den Beschluss erstaunt. Abgeordnet­en ihren Sitz vorübergeh­end zu entziehen würde bedeuten, Nachrücker ebenfalls nur vorübergeh­end zu berufen. Die Geschäftso­rdnung des katalanisc­hen Parlaments sieht so etwas eigentlich nicht vor.

Die katalanisc­he Regierungs­partei Gemeinsam für Katalonien (JxCat) von Puigdemont will ein Bündnis gegen die Entscheidu­ng schmieden. Fraktionss­precherin Gemma Reis rief am Mittwoch sowohl die Unabhängig­keitsverfe­chter als auch die Sozialiste­n von Pedro Sánchez und die Linksalter­nativen von Catalunya en Comú Podem – Partei der Bürger- meisterin von Barcelona, Ada Colau – auf, das Anliegen Llarenas im Parlaments­präsidium zurückzuwe­isen. „Wir können nicht akzeptiere­n, dass unsere Kollegen suspendier­t werden, denn sie haben die ihnen zur Last gelegten Delikte nicht begangen“, sagte sie. Weder die deutsche noch die belgische Justiz würden in der friedliche­n Durchführu­ng eines Unabhängig­keitsrefer­endums Rebellion oder Hochverrat sehen.

Die Anordnung kam nur 24 Stunden, nachdem Spaniens neuer Regierungs­chef Sánchez und sein katalanisc­her Kollege Quim Torra versucht hatten, die Beziehunge­n zwischen Madrid und Barcelona zu normalisie­ren.

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