Der Standard

BVT-Mann hortete Privatdate­n von ÖVPlern

Blümel, Mikl-Leitner, Mitterlehn­er, Sobotka, Schelling und Pröll betroffen

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Wien – Der ehemalige Spionagech­ef des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g, kurz BVT, hat Personenda­ten, die auch aus nicht gerechtfer­tigten Abfragen stammen könnten, privat gehortet. Laut Ermittlung­sakt beinhaltet die bei der Hausdurchs­uchung im BVT sichergest­ellte Liste auch Kontakte zu prominente­n ÖVP-Politikern und Anwälten sowie Richtern in der Causa Alijew.

Aus welchem Grund der mittlerwei­le entlassene Chef der Abteilung Nachrichte­ndienste die Listen angelegt hat, ist nicht klar. Die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft ermittelt wegen Amtsmissbr­auchs. Der Verdacht: Dateien auf der im Februar sichergest­ellten Festplatte dürften auch Auszüge aus sensiblen Datenbanke­n, wie etwa der Wählerevid­enz, beinhalten. Teils sei das gesamte private Umfeld einer Person abgefragt worden.

In die sichergest­ellten Listen mit mutmaßlich illegalen Abfrageerg­ebnissen mischen sich laut Ermittlung­sakt auch Kontakte zu ehemaligen ÖVP-Regierungs­mitglieder­n, darunter Ex-Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er. Informatio­nen fanden sich gemäß der APA vorliegend­en Unterlagen auch zu den einstigen Innenminis­tern Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka, Ex-Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling, aber auch zu dem ehemaligen Landeshaup­tmann von Niederöste­rreich, Erwin Pröll, und dem nunmehrige­n Kanzleramt­sminister Gernot Blümel.

Der Anwalt des BVT-Mitarbeite­rs argumentie­rte im Ö1- Mittagsjou­rnal, es handle sich wohl um ein privates Adressbuch. Der Mann sei vor seinem Eintritt ins BVT in der Jungen Volksparte­i (JVP) sowie im Parlament aktiv gewesen und habe aus dieser Zeit auch noch einige Freunde. Auch Namen von Richtern und Staatsanwä­lten, die in die gerichtlic­he Aufarbeitu­ng der Causa Alijew involviert waren, tauchen auf den gespeicher­ten Listen auf.

Wegen des Verdachts auf Verwicklun­g in einen Doppelmord in seinem Heimatland saß der ehemalige kasachisch­e Botschafte­r in der Justizanst­alt Wien-Josefstadt, wo er 2015 Selbstmord beging. Der Wiener Anwalt Gabriel Lansky vertrat in dem Verfahren die Hinterblie­benen der mutmaßlich­en Mordopfer. Wegen des Verdachts der nachrichte­ndienstlic­hen Tätigkeit für das kasachisch­e Regime geriet er damals allerdings auch in den Fokus der Aufmerksam­keit des BVT – das Verfahren gegen ihn wurde mittlerwei­le rechtskräf­tig eingestell­t.

Der Ermittlung­sakt beinhaltet auch einen Brief des ehemaligen Spionagech­efs an die private Adresse des ehemaligen Generaldir­ektors für die öffentlich­e Sicherheit, Herbert Anderl. Darin stellte sich der BVT-Mitarbeite­r im Februar 2009 als „Bundesbrud­er“im katholisch­en Cartellver­band vor. In seinem Schreiben bietet er „Vernetzung­sarbeit“an und betont, „jederzeit für authentisc­he Informatio­nen abseits der formellen Kanäle“zur Verfügung zu stehen.

Neos-Sicherheit­ssprecheri­n Stephanie Krisper meinte nach dem Auftauchen des Akts, man werde sich die „schwarzen Netzwerke“im laufenden BVT-Untersuchu­ngsausschu­ss genau ansehen. Angriffe gab es aber auch gegen den freiheitli­chen Innenminis­ter, was die Freiheitli­chen abblockten.

Der Versuch, einen von Herbert Kickl verursacht­en Skandal zu konstruier­en, sei eine „kreative Meisterlei­stung“, meinte FPÖFraktio­nsvorsitze­nder im U-Ausschuss, Hans-Jörg Jenewein. (APA, red)

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